An einem Tag im Winter
aufzubürden.
Alec kletterte auf einen zerklüfteten grauen Felsen. »Alle jungen Leute hier wissen, dass sie die Insel wahrscheinlich verlassen müssen. Meine Mutter will es nicht wahrhaben, aber so ist es. Ich musste von hier weg und Cat ebenso. Man geht fort, um die Schule zu besuchen und zu studieren, oder man geht fort, um Arbeit zu finden. Einige kommen zurück, die meisten nicht. Sie ziehen aufs Festland oder nach England, vielleicht sogar nach Amerika. Hier gibt es kaum Arbeit, und das Leben auf der Insel ist zu hart und zu eingeschränkt. Heute ist kaum noch jemand bereit, das hinzunehmen. Ich helfe, wo ich kann, wenn ich nach Hause komme, aber die Hauptlast trägt natürlich meine Mutter. Irgendwann muss ich sie ihr abnehmen. Meine Mutter hält den Besitz seit dem Tod meines Vaters zusammen. Sie findet, jetzt sei ich an der Reihe. Und sie hat recht.« Er schaute zu ihr zurück. »Du würdest doch keinen Mann wollen, der seine Mutter einfach im Stich lässt, Ellen? So einen Mann könntest du doch nicht lieben .«
»Nein, vielleicht nicht. Aber â¦Â«
»Wir werden schon eine Lösung finden. Ganz sicher. Für mich ist das Wichtigste, mit dir zusammen sein zu können.« Er setzte sich wieder zu ihr und legte ihr den Arm um die Schultern. »Du armes Mädchen, du siehst so müde aus. Dabei sollte das doch ein Urlaub für dich sein.«
»Ist es auch. Ich habe nur letzte Nacht schlecht geschlafen. Der Sturm â¦Â« Sie hatte ihm von den Schritten erzählen wollen, die sie in der Nacht gehört hatte, aber irgendetwas hielt sie davon ab, sodass sie stattdessen sagte: »Ich habe von Dr. Redmond geträumt. Warum wohl?«
»Wahrscheinlich ein zu voller Magen nach diesem Diner.«
Sie lachte.
»Du meinst, zu viel Wild und Rotwein? Ja, du hast wahrscheinlich recht.«
»Was genau hast du denn geträumt?«
»Dass ich abgestürzt bin.«
Die Niedergeschlagenheit kehrte wieder, fiel wie ein Schatten über sie.
Er drückte sie an sich. »Heute Nachmittag machen wir einen langen Spaziergang, und du läufst dir das von der Seele. Nicht hier â auf Easdale musst du endlose Runden drehen, um einen halbwegs anständigen Spaziergang zusammenzubringen.«
Zaghaft begann sie von einem Gedanken zu sprechen, der ihr in der Nacht gekommen war.
»Alec, warum fragst du nicht deine Mutter, ob sie nächsten Monat nach London kommen möchte? Wir kaufen ihr eine Fahrkarte, suchen ihr ein gutes Hotel und machen ihr ein paar schöne Tage. Wir könnten ihr die Stadt zeigen, alles Mögliche mit ihr unternehmen. Das würde ihr sicher guttun.«
»Sie kommt nicht.« Er schüttelte den Kopf. »Ich habe sie schon so oft eingeladen.«
»Und wenn du es noch mal versuchst ⦠Ich habe mir gedacht, wenn wir erst verheiratet sind und ein Haus finden könnten â in irgendeiner schönen Gegend von London, Hampstead oder Richmond vielleicht â, könnten wir ein Stockwerk zu einer kleinen Wohnung für deine Mutter ausbauen lassen. Natürlich würde sie einige Zeit brauchen, um sich einzugewöhnen, aber wer weiÃ, vielleicht würde es ihr gefallen. Wenn wir Kinder bekommen, könnte sie immer in ihrer Nähe sein. Sie muss das Haus ja nicht verkaufen, wenn sie nicht will. Da lässt sich doch sicher ein Pächter oder Verwalter finden, meinst du nicht?«
»So etwas würde sie nicht einmal in Erwägung ziehen.« Er begann, die Reste ihres Frühstücks in den Rucksack zu stopfen. Seine Stimme war tonlos, als er sagte: »Ellen, meine Mutter wird Kilmory House niemals verlassen. Sie könnte woanders niemals glücklich sein.«
Und was, wenn ich hier niemals glücklich sein kann?, dachte Ellen.
9
MARCUS PHAROAH WA R FÃR VIERZEHN TAGE in Amerika, und India nutzte seine Abwesenheit, um die Gesellschaft ihrer alten Freunde zu suchen. In gewisser Weise war es befreiend, mit Vinnie, Oliver und Simon zusammen zu sein, denen es nicht einfiel, sie danach zu fragen, was sie mit ihrem Leben anzufangen gedenke. Einige ihrer Freunde lebten sogar weit zielloser in den Tag hinein als sie, gingen jeder Arbeit tunlichst aus dem Weg, nächtigten auf anderer Leute Sofas und gerierten sich als Maler oder Schriftsteller, wenn sie in Wirklichkeit den ganzen Tag im Bett herumlagen, sich die Nächte in Pubs um die Ohren schlugen und vielleicht hin und wieder
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