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An einem Tag im Winter

An einem Tag im Winter

Titel: An einem Tag im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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wusste sie – sie selbst hatte auch Liebhaber gehabt –, und sie versuchte, ihre Gefühle gar nicht erst hochkommen zu lassen.
    Er ergriff ihre Hand und drückte sie an sein Gesicht. »Eine musste die Erste sein.«
    Aber während sie einen Apfel nahm und hineinbiss, wünschte sie, es wäre nicht Catriona gewesen. Merkwürdig, dass sie seine vergangene Beziehung mit Andrée so viel leichter nehmen konnte als die mit dem Mädchen von der Insel.
    Vielleicht lag es daran, dass sie und Andrée einander gar nicht so unähnlich waren – Wissenschaftlerinnen, intellektuell, beherrscht, ein wenig reserviert. Catriona war ein ganz anderer Typ. Dass Alec sich zu ihr hingezogen gefühlt, sich in sie verliebt hatte, zeigte eine Seite von ihm, die sie nicht kannte. Diese Seite kannte allein Catriona.
    Â»Wäre es deiner Mutter immer noch lieber, du würdest Catriona heiraten?«, fragte sie.
    Er lachte. »Du lieber Gott, nein, das glaube ich nicht. Wieso auch? Sie weiß, dass das längst vorbei ist.«
    Â»Catriona ist von hier. Es wäre verständlich, wenn deine Mutter wünschte, du würdest eine Frau von der Insel heiraten.«
    Er wandte sich ihr zu, die Stirn gerunzelt, doch er lächelte. »Bereitet dir das etwa Kopfzerbrechen? Das kann nicht dein Ernst sein!«
    Â»Ich weiß nicht, ob ich die Frau bin, die deine Mutter für dich ausgesucht hätte.«
    Â»Hör auf, Ellen. Meine Mutter mag dich sehr. Das hat sie mir selbst gesagt.«
    Â»Wirklich?« Sie atmete auf. »Ach, da bin ich froh.«
    Â»Liebling, wir müssen einfach ein bisschen Geduld haben. Das ist doch nicht schlimm, oder? Wir müssen meiner Mutter Zeit geben, sich an die neue Situation zu gewöhnen. Sie hat es nach dem Tod meines Vaters nicht leicht gehabt.«
    Â»Wie ist er eigentlich gestorben, Alec?« Sie wusste fast nichts darüber, hatte ihn nicht zwingen wollen, sich schmerzlichen Erinnerungen zuzuwenden.
    Â»An einer Lungenentzündung.«
    Er schaute wieder aufs Meer hinaus, die Hand über den Augen gegen die Sonne.
    Â»Es war im Krieg.«
    Â»Kam es plötzlich?«
    Â»Ja. Er hatte eine Erkältung, aber es war nichts Ernstes. Ich war auf dem Internat, als es passierte. Ich konnte mich nicht einmal von ihm verabschieden.«
    Sie hatte noch nicht erfahren, wie es war, wenn ein Mensch starb, den man liebte. Eine Großmutter, ja, ein Cousin, der bei der Landungsoffensive der Alliierten in der Normandie gefallen war. Sie hatte beide kaum gekannt.
    Â»Das muss schlimm gewesen sein«, sagte sie. »Und grauenhaft für deine Mutter.«
    Â»Sie hat damals ein Medium ins Haus geholt.«
    Â»Ein Medium?«, fragte sie erstaunt. »Du meinst Ektoplasma und Ouija-Brett?«
    Â»So in der Art. Gefährlicher Unsinn. Eine schreckliche Person, diese Frau, eine richtige Betrügerin. Ich weiß noch, wie sie durchs Zimmer gewandelt ist und allen möglichen Blödsinn von sich gegeben hat – dass sie die Anwesenheit meines Vaters in einem bestimmten Teil des Hauses spüren könne oder dass sie in der Nacht sein Boot in der Bucht gesehen habe. Lauter Dinge, die sich weder beweisen noch widerlegen ließen. Schon damals, als Kind, habe ich gewusst, dass sie eine Betrügerin war, aber sie hat es geschafft, meine Mutter davon zu überzeugen, dass mein Vater – oder vielmehr sein Geist – noch hier sei, auf der Insel. Wir haben nie darüber gesprochen. Wir reden über alles andere, aber darüber nicht.«
    Â»Vielleicht war es ihr ein Trost.«
    Â» Falscher Trost. Genehme Antworten und Lügen.«
    Sie wusste, dass er den Glauben an Übersinnliches verabscheute und in dieser Hinsicht keinerlei Argumenten zugänglich war. Deshalb wechselte sie das Thema.
    Â»Hat deine Mutter eigentlich nie daran gedacht, wieder zu heiraten?«
    Â»Soviel ich weiß, nicht.«
    Â»Ich dachte, Mr. Frazer wäre vielleicht …«
    Â»Donald?« Alecs Gesicht hellte sich auf, und er lachte. »Sie sind gute Freunde, weiter nichts. Donald hilft meiner Mutter bei der Verwaltung des Besitzes.«
    Â»Sie ist sicher sehr einsam.«
    Er hob einen Schieferbrocken auf und schleuderte ihn ins Wasser. »Mein Vater war die Liebe ihres Lebens. Das hat sie mir einmal gesagt, nicht lange nach seinem Tod.«
    Es hatte etwas sehr Egoistisches, dachte sie, einem Kind eine solche emotionale Last

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