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An einem Tag im Winter

An einem Tag im Winter

Titel: An einem Tag im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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hinunter. Aber diesmal endet es anders. Diesmal bringt er die Mairead nach Hause, und ich nehme ihn in die Arme und lasse ihn nie wieder fort.« Ein schwaches Lächeln. »Es heißt, manch einer würde ›wahnsinnig vor Schmerz‹. Doch bevor man es selbst erfährt, glaubt man, es wäre nur so eine Redensart. Dabei verfällt man tatsächlich in eine Art Wahnsinn, wenn man einen Menschen verliert, den man so innig liebt, wie ich Francis geliebt habe. Es ist, als würde man in Stücke gerissen. Zuerst will man sie gar nicht wieder zusammensetzen, aber ich hatte keine Wahl, schon Alecs wegen. Man kann sich nicht die Haare ausraufen und in ewiger Verzweiflung verharren, wenn man ein Kind hat. Aber es war schwer. Ach, so schwer. Alec war mir ein solcher Trost. Er hat mich stundenlang reden lassen. Es hat ihm nie etwas ausgemacht, er ist nicht davongelaufen, um zu spielen, wie andere Kinder das getan hätten. Ein solcher Trost.«
    Â»Kommen Sie mit hinunter, Mrs. Hunter«, bat Ellen behutsam. »Bitte.«
    Alecs Mutter sah sie an. »Sie halten mich wahrscheinlich für verrückt, dass ich nachts hier herumgeistere. Mit Alec rede ich nicht darüber, er würde nur ärgerlich werden. Aber ich möchte wissen, ob Sie glauben –«
    Â»Was?«
    Â»Sehen Sie, ich war immer überzeugt, dass manche Ereignisse ein eigenes Echo haben.«
    Â»Ein Echo?«
    Â»Halten Sie es für möglich, Ellen?« Jetzt glänzten Marguerite Hunters Augen. »Glauben Sie, dass ein tragisches Unglück, irgendein einschneidendes Ereignis, einen Ort für immer zeichnen kann? Glauben Sie, dass etwas zurückbleibt, wenn sie von uns gegangen sind, die Spur einer Seele vielleicht?«
    Ellen fiel etwas ein, was Martin Finch einmal in dem Pub in Copfield zu ihr gesagt hatte. Troll ist überzeugt, dass sich Geistererscheinungen mithilfe der Quantentheorie erklären lassen , und einen Moment lang nahmen ihre Gedanken seltsame, irrationale Wege, brachten Hypothesen hervor und erschufen Prozesse, durch die Glück und Unglück sich vielleicht so tief in die Steine eines Hauses eindrücken konnten, dass ein bestimmtes Ereignis ewig wiederkehrte, ohne Rücksicht auf Zeit und Raum, unerbittlich, gnadenlos.
    Nein. Blühender Unsinn.
    Â»Sind es nicht unsere Gefühle, die weiterleben?«, sagte sie daher. »Ist nicht die Liebe das, was bleibt?«
    Â»Wie rational. Aber nach Francis’ Tod habe ich seinen Geist in diesem Haus gespürt.«
    Â»Alec hat mir erzählt, dass Sie sich an ein Medium gewandt haben.«
    Â»Ach, das hat er Ihnen erzählt?«
    Â»Er wollte mir nur erklären –« Sie brach ab und wurde rot, weil sie das Gefühl hatte, zu persönlich geworden zu sein.
    Â»Es ist lange her, seit ich Francis’ Geist gespürt habe.« Wieder hob sie die Hand zum Glas, als wollte sie ihren toten Mann berühren. »Es ist, als würde die Zeit diese Dinge langsam abtragen.«
    Â»Vielleicht ist es besser so. Gütiger. Wir sollten uns auf die Lebenden konzentrieren, meinen Sie nicht?«
    Â»Sie sind ein komisches kleines Ding. Sie geben sich wirklich Mühe, nicht? Es tut mir leid, wenn ich Ihnen einen Schrecken eingejagt habe. Sie müssen mir verzeihen. Aber ich kann nicht ignorieren, was ich fühle, ich kann es nicht einfach abtun, weil es in keine der Theorien passt, die Alec und seine Freunde für richtig halten.« Ihr Blick kehrte zu Ellen zurück. »In allen anderen Dingen sind wir uns völlig einig.«
    Â»Wenn man einen Menschen so sehr liebt, muss es schwer sein, ihn loszulassen«, sagte Ellen ruhig.
    Â»Ich hatte nie die Absicht, Francis loszulassen, und ich war überzeugt, dass er das auch nicht wollte. Oder sprechen Sie vielleicht von Alec?«
    Der Kampf war eröffnet, daher sagte Ellen: »Er muss die Freiheit haben, seinen eigenen Weg zu gehen.«
    Â»Alecs Weg ist mein Weg. Er weiß, dass er auf die Insel zurückkehren muss.«
    Â»Nur aus Verpflichtung Ihnen gegenüber.« Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, als sie die Worte aussprach.
    Â»Nicht nur mir gegenüber, Ellen, auch gegenüber seiner Heimat. Alec liebt seine Heimat. Er liebt diese Insel.«
    Â»Man kann einen Ort auch lieben, ohne ein Leben lang daran gefesselt zu sein.«
    Â»Ach, so verstehen Sie Liebe?«
    Â»Liebe sollte Freiheit schenken. Wer einen anderen wahrhaft liebt, würde ihn freigeben

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