An einem Tag im Winter
deshalb kommt es kaum vorwärts. Er ist natürlich müde nach dem langen Kampf mit dem Sturm, aber er ist ein hervorragender Segler und bringt das Boot sicher in den Hafen.«
Ellen ertappte sich dabei, dass sie einen Moment lang tatsächlich die Bucht absuchte und beinahe glaubte, wenn sie sich nur genügend anstrengte, würde sie Francis Hunters Boot in den Hafen von Ellenabeich einfahren sehen.
Aber das Wasser war natürlich leer. »Da ist nichts«, murmelte sie.
»Nein. Er ist nicht da, mein armer Mann.« Alecs Mutter legte die Taschenlampe aufs Fensterbrett.
»Wollen wir nicht hinuntergehen, Mrs. Hunter?«, schlug Ellen in entschiedenem Ton vor. »Dann mache ich uns eine Tasse Tee.«
Alecs Mutter schüttelte den Kopf. »Gehen Sie ruhig.«
»Ich möchte Sie hier nicht allein lassen.«
»Es tröstet mich. Hat Alec Ihnen von der Nacht erzählt? Es war im Krieg, 1941. Francis war bei der Marine, auf einem Begleitschiff zur Sicherung der Geleitzüge im Nordatlantik. In diesem Herbst kam er auf Urlaub nach Hause. Er war völlig erschöpft und so froh, wieder auf der Insel zu sein. Eines Tages wollte er zum Fischen hinausfahren. Ich habe ihn gebeten, hierzubleiben. Es ging ihm nicht gut, er hatte eine schlimme Erkältung hinter sich, und das Wetter konnte jeden Moment umschlagen. Ich denke immer, ich hätte energischer sein müssen. Hätte ich damals doch nur die richtigen Worte gefunden!«
»Sie dürfen sich keine Vorwürfe machen, Mrs. Hunter.«
Alecs Mutter lächelte. »Oh, das tue ich nicht. Er war ein Mann, der wusste, was er wollte. Es kam Wind auf, und der Sturm muss ihn auf die offene See hinausgetrieben haben. Die Mairead war nicht für schweres Wetter gebaut. Ich stelle mir oft vor, wie es für ihn gewesen sein muss, wie hart er gekämpft haben muss. Er war eigentlich ein furchtloser Mann, dennoch muss er sich verlassen gefühlt haben und erschöpft. Ich frage mich, ob er wusste, dass er den Kampf verlieren würde.« Sie wandte sich wieder zum Fenster. »Ich frage mich, ob sein Geist zu dieser Nacht zurückkehrt, ob er in irgendeiner Form immer noch dort ist und gegen den Sturm kämpft. Ach, wenn ich nur den Schleier heben könnte.«
Das Mondlicht lag auf Marguerite Hunters Gesicht und erhellte den Schwung von Wangenknochen und Kinn, der dem ihres Sohnes so ähnlich war.
»Als er nicht nach Hause kam, habe ich Alarm geschlagen, und die Fischer sind mit ihren Booten hinausgefahren, um ihn zu suchen. Aber es waren nur wenige, wegen des Krieges, und sie brauchten lange, um ihn zu finden. Die ganze Nacht und den folgenden Tag habe ich hier oben gestanden und nach ihm Ausschau gehalten. Von hier aus hat man die beste Sicht auf die Bucht, wissen Sie. Ich hatte Angst, wenn ich etwas anderes täte â schlafen oder essen â, würde er niemals zurückkommen. Ich war überzeugt, ich könnte ihn allein mit der Kraft meiner Liebe zurückholen. Aber sie brachten ihn erst am nächsten Nachmittag nach Hause. Ich habe hier oben gewartet, bis ich die Boote kommen sah, dann bin ich zum Hafen hinuntergelaufen. Er hat noch gelebt, aber aus seiner Erkältung war eine Lungenentzündung geworden. Henry Campbell hat sein Bestes getan, aber es war zu spät. Mein armer Francis ist noch am Abend gestorben.«
»Es tut mir so leid, Mrs. Hunter.« Die Worte klangen dünn und solchem Schmerz nicht angemessen. »Das muss schrecklich für Sie gewesen sein.«
Marguerite Hunter legte eine Hand auf die Scheibe. »Als sie ihn ins Haus gebracht haben, hat er nicht mit mir gesprochen. Er war im Fieberwahn und bekam kaum Luft. Aber ich wusste, was er mir sagen wollte. Dass er glücklich war, in dem Haus sterben zu dürfen, das er so liebte, mit mir an seiner Seite.«
»Das ist Ihnen sicher ein kleiner Trost.«
»Glauben Sie? Ach, was wissen Sie schon.«
In ihren Augen flammte ein so wilder Zorn auf, dass Ellen unwillkürlich zurücktrat. »Entschuldigen Sie â verzeihen Sie â, das war dumm von mir.«
»Nein, nein â Sie sind jung, wie sollten Sie so etwas verstehen?« Der Zorn erlosch, und Marguerite senkte den Blick. »Manchmal habe ich das Gefühl, als ob alles, was seit dieser Nacht passiert ist, nur ein Traum ist. Vielleicht schaue ich eines Nachts zum Fenster hinaus und sehe sein Boot kommen und laufe wieder zum Hafen
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