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An einem Tag im Winter

An einem Tag im Winter

Titel: An einem Tag im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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wollen.«
    Mrs. Hunter lachte voller Verachtung. »Was ist das für eine blutleere Art von Liebe? Ich wäre Francis bis ans Ende der Welt gefolgt, wenn er es von mir verlangt hätte – und sogar noch weiter. Wo bleiben bei Ihnen Pflicht und Verantwortung? Können Sie mir das sagen? Warum die Bande zerreißen, die eine Familie zusammenhalten? Warum die Bande zerreißen, die ein Volk an einen Ort binden?«
    Â»Es ist ganz und gar nicht mein Wunsch, Alec seiner Heimat zu entfremden.«
    Â»Aber ohne ihn stirbt sie, das müssen Sie doch sehen. Die ganze Insel wird sterben. Die jungen Leute werden fortziehen, und nur die Alten werden übrig bleiben, und das wird dann das Ende sein. Alles, wofür Francis und die Hunters gestanden haben, alles, wofür sie so hart gearbeitet haben, wäre dann bedeutungslos. Alles ausgelöscht, sämtliche Erinnerungen, die ganze Geschichte.«
    Â»Was haben Sie eigentlich gegen mich?«, platzte Ellen heraus. »Was habe ich Ihnen getan?«
    Marguerite Hunters Blick glitt über sie, abschätzend, verdrossen.
    Â»Ich habe überhaupt nichts gegen Sie. Sie sind durchaus ein nettes Ding. Aber Sie sind nicht die richtige Frau für meinen Sohn.«
    Die Worte hallten wider wie ein Glockenschlag. »Würden Sie Catriona vorziehen?«
    Â»Catriona hat ihre Fehler, aber ja, ich würde sie vorziehen. Sie –« Marguerite Hunter zog die Lippen zusammen –, »Sie sind zu bemüht, zu brav. Ihnen fehlt es an Wagemut. Ich habe Zaghaftigkeit nie gemocht.«
    Â»Ich würde es Höflichkeit nennen.«
    Â»Wie Sie wollen. Doch um hier leben zu können, muss man gewisse Eigenschaften mitbringen. Es ist natürlich viel schwerer, wenn man nicht auf der Insel geboren ist. Wissen Sie noch, als ich Ihnen meinen Garten gezeigt habe und Sie Angst hatten, von der Terrasse hinunterzuschauen? In dem Moment wusste ich, dass Sie nicht infrage kommen.«
    Â»Ihrer Meinung nach vielleicht. Alec sieht das anders.«
    Â»Sie würden hier nicht glücklich werden, Ellen, und ich glaube, tief im Innern wissen Sie das auch.«
    Â»Nein, das stimmt nicht.«
    Alecs Mutter war näher zu ihr getreten. »Sie wissen, dass ich recht habe. Denken Sie nach.« Ihre Stimme wurde leise und eindringlich. »Denken Sie an die Winter. Denken Sie daran, wie allein sie sich fühlen würden, abgeschnitten von allem, was Sie kennen. Hätten Sie nicht Sehnsucht nach zu Hause – nach Ihrem Zuhause? Würden Ihnen nicht Ihre Arbeit und Ihre Studien fehlen? Natürlich würden Sie sich bemühen, kein Heimweh aufkommen zu lassen, Sie würden versuchen, das Beste aus der Situation zu machen, Sie würden sich neue Interessen und Beschäftigungen suchen, aber glauben Sie nicht, dass es Sie insgeheim immer begleiten würde, das Bedauern, der Verdacht, dass Sie einen Fehler gemacht haben? Einer Frau wie Ihnen wäre ein Leben als Hausfrau auf dem Land niemals genug. Wie denn auch?«
    Â»Weil ich Alec liebe.«
    Â»Aber Sie gehören nicht hierher. Francis hat hierher gehört. Alec gehört hierher. Aber Sie nicht. Niemals.«
    Das Licht der Taschenlampe beleuchtete Marguerite Hunters Gesicht und zeigte ihre Augen in einem stählernen Blau. Ihre Worte schienen sich in Ellens Gedanken zu bohren, sie schien die Fragen auszusprechen, die Ellen seit Monaten marterten. Offensichtlich war Alec nicht der Einzige, der sich auf Ausflucht verstand; sie selbst war nicht anders, das erkannte sie jetzt, und ihr schien, dass Alecs Mutter recht hatte: Wäre sie ein anderer Mensch gewesen – mutiger –, dann hätte sie vielleicht die Fallen, die sie erwarteten, früher gesehen und energischer um den Mann gekämpft, den sie liebte.
    Â»Ich möchte nur Alecs Glück.« Marguerite Hunters Stimme war sanft. »Wollen Sie das nicht auch, Ellen?«
    Â»Mit mir würde er glücklich werden.« Doch ihr Aufschrei klang wie eine Klage.
    Â»Nein. Mit Ihnen wäre er nur innerlich zerrissen.« Sie berührte Ellens Hand, und Ellen schauderte. »Ihnen ist kalt«, sagte sie beinahe fürsorglich. »Sie sollten wieder zu Bett gehen.«
    Ellen lief stolpernd über den Dachboden. Der Strahl der Taschenlampe leuchtete ihr den Weg zwischen den verstaubten, alten Besitztümern von Kilmory House hindurch, das unerschütterlich auf dem Felsen der Insel verankert stand.
    Als es hell wurde, stand

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