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An einem Tag im Winter

An einem Tag im Winter

Titel: An einem Tag im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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waren sie jetzt nicht mehr sicher. Sie musste sehen, dass Sebastian irgendwo unterkam, wo Bernie ihn niemals aufspüren würde. Die einzige andere Möglichkeit wäre, sich Bernie auszuliefern. Sich ihm anzubieten und eines seiner billigen Flittchen zu werden.
    Lieber würde sie sterben. Sie wusste genau, wie Bernie mit seinen Frauen umsprang, wie er sie demütigte und unterdrückte, bis ihnen kein Fünkchen Stolz mehr blieb. Wenn sie sich darauf einließ, würde am Ende nichts von ihr übrig bleiben.
    Das schied also aus. Sie konnte ein paar Sachen packen, sie konnte etwas Geld von Freunden schnorren und sich mit Sebastian in einen Zug setzen, um woanders neu anzufangen, doch schon während sie diese Überlegungen anstellte, wusste sie, dass das keinen Sinn hatte. Jedes Mal, wenn sie wieder umzogen – und sie würde ständig über ihre Schulter schauen –, würden sie ein bisschen ärmer werden, ein Stückchen einsamer. Sebastian würde ein solches Zigeunerleben ohne festes Zuhause nicht aushalten. Sie selbst würde vielleicht Freunde finden, da hatte sie nie Probleme gehabt, aber was für Freunde würden das sein?
    Es gab Fallen, in die sie nicht hineintappen durfte. Vor langer Zeit schon hatte sie gelernt, dass man auch zu frei sein konnte. Verehrer fanden sich immer, schließlich war sie hübsch und amüsant, doch wie sollte sie die leeren Stunden herumbringen? Die Versuchung war groß, sich einfach aufs Sofa zu legen, in Zeitschriften zu blättern und alles schleifen zu lassen. Eine solche Zukunft, die sie sich nur zu gut vorstellen konnte, machte ihr nicht weniger Angst als der Gedanke, sich mit Bernie einzulassen. Sie hatte die Pflichtvergessenheit und die Neigung, den Dingen aus dem Weg zu gehen, die zum Wesen ihrer Mutter gehört hatten, auch bei sich erkannt. Wenn sie nicht Cindys Fehler wiederholen wollte, musste sie sich ändern. Sie musste ganz neu anfangen.
    Sebastian, der eingeschlafen war, lag zusammengekauert in der Sofaecke. Der Mann im Radio redete immer noch von Dahlien. India wusste, dass ihr nur eine Möglichkeit blieb. Sie ging in den Flur, hob den Telefonhörer ab und wählte Marcus Pharoahs Nummer.
    Das Wetter wurde immer unwirtlicher, je weiter Alec und Ellen nach Norden kamen. Als sie bei Dunkelheit die Küste von Argyll erreichten, prasselte strömender Regen auf die Windschutzscheibe. Manchmal schlug ein abgerissener Zweig krachend an die Motorhaube, und der Wagen geriet ins Schwimmen, wenn sie tiefe Pfützen durchquerten. Die schwarze Landschaft wurde nur von den dünnen Strahlen der Scheinwerfer erhellt, die ihnen den Weg über die kurvige Straße wiesen. Obwohl Ellen das Meer nur hin und wieder glitzern sah, als sie die Küstenstraße hinter Oban entlangfuhren, war sie sich seiner verschlingenden Nähe ständig bewusst.
    Erst nach acht kamen sie auf der Insel an. Beim Abendessen lauschte sie dem Ächzen und Knacken der Bäume im Wind und ließ ihre Gedanken wandern, während Alec und seine Mutter ins Gespräch vertieft waren. Sie beobachtete die Szene am Tisch wie eine Außenstehende und sah zu, wie jeder der Agierenden die ihm zugeordnete Rolle einnahm: Maguerite Hunter, ganz die Königinmutter, hielt die Gesprächsfäden in der Hand; Donald zeigte sich jovial und devot, und Alec war ganz seiner Mutter zugewandt, bereit, augenblicklich jede ihrer Stimmungen zu erfassen, um Marguerite wenn nötig zu besänftigen. Diese Rolle, dachte Ellen, hatte er wahrscheinlich schon vor vielen Jahren übernommen, als er es sich zur Aufgabe gemacht hatte, sie für den Verlust ihres Ehemanns zu entschädigen.
    Sie hatte Alec nichts von dem Mittagessen mit Catriona erzählt, hatte gewusst, wie sich das Gespräch entwickeln würde, hätte sie ihm gesagt, dass Catriona ihn liebte. Er hätte doch nur abgewehrt und behauptet, Catriona spiele wieder einmal eins ihrer Spielchen. Cat spielt die Leute gern gegeneinander aus , hörte sie ihn sagen. Mit der Zeit hatte sie erkannt, dass Alec, ähnlich wie seine Mutter, nicht gern zuhörte.
    Ihre Gespräche über ihre gemeinsame Zukunft verliefen immer nach dem gleichen Muster. Sie glaubte, sie hätten eine Entscheidung darüber getroffen, wo sie nach ihrer Heirat leben würden, und musste in den folgenden Tagen oder Wochen zusehen, wie diese Entscheidung bröckelte. Er solle sich um eine Dozentur in Glasgow

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