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An einem Tag im Winter

An einem Tag im Winter

Titel: An einem Tag im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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unwahrscheinlich, dass Marcus Pharoah und ich dicke Freunde werden.« Was geht dich das überhaupt an? »Wir bewegen uns in unterschiedlichen Kreisen.«
    Â»Pharoah hat immer irgendwelche Günstlinge, doch man darf ihm auf keinen Fall widersprechen – sonst hat man sich sein Wohlwollen schnell verscherzt.«
    Jetzt war sie wirklich zornig. »Danke für den guten Rat«, erwiderte sie spitz.
    Ein Schatten der Verärgerung flog über sein Gesicht. »Ich möchte Ihnen nur helfen, Ellen.«
    Â»Ich brauche keine Hilfe. Ich komme gut allein zurecht. Schon immer.« Ihr Ton war klirrend wie die Eisperlen an den Zweigen der Zypressen.
    Sie stieg auf ihr Fahrrad, sagte kurz auf Wiedersehen und fuhr davon.
    Am Sonntagnachmittag unternahm sie einen langen Spaziergang. Die kahlen Äste der Bäume reckten sich wie schwarze Arme über der ausgebleichten Landschaft, durch die sie wanderte. Das Wasser in den Gräben an den Feldrainen war gefroren, Stängel von Wiesenkerbel durchstachen die Eisdecke; als sie einen abpflückte, brach er knackend und zerfiel in dürre braune Fasern, die auf das Eis hinabrieselten. Was bildet sich dieser Kerl ein?, dachte sie. Mir vorschreiben zu wollen, wie ich meine Arbeit zu tun und wie ich mich meinem Arbeitgeber gegenüber zu verhalten habe! Als wäre er selbst ohne Tadel. Dabei war sicherlich er zum großen Teil an Andrée Fourniers Missmut schuld.
    Nach einer Stunde erreichte sie Gildersleve Hall. Die Jalousien waren heruntergelassen, im Garten regte sich nichts. Das Haus schien sich in sich selbst zurückgezogen zu haben, zeigte sich so verschlossen wie an dem Tag, an dem sie es zum ersten Mal gesehen hatte. Sie ging weiter durch das Wäldchen dahinter.
    Einem hölzernen Wegweiser zum Peddar’s Wood folgend, stapfte sie um brachliegende Felder herum, bis sie ein dicht mit Bäumen bestandenes Waldgebiet erreichte, das von einem niedrigen Erdwall umgeben war. Ein Fußweg führte unter Ahornbäumen, Eschen und Haselnusssträuchern hindurch. Gefrorenes Laub brach knisternd unter den Sohlen ihrer Stiefel, und am Wegrand erhoben sich große Stöße gefällter Stämme, die Rinde von glitzerndem Reif überzogen. Die bis auf den Stock zurückgeschnittenen Eschen kauerten in bizarren Formen dicht am Boden, großen, knotigen Geschwülsten ähnlich, aus denen sich dicke Äste zum Himmel streckten, während aus den kleineren, hellen, hohlen Stümpfen dünnere, biegsame Rutenbüschel trieben.
    In der Mitte des Waldes blieb Ellen stehen. Sie spürte kaum noch ihre Finger vor Kälte. Umgeben vom tiefen Schweigen der Bäume, fühlte sie sich aus der Zeit hinausgetragen, und erst das Knacken eines Asts, das ihr verriet, dass sie nicht das einzige lebende Geschöpf in diesem Gehölz war, holte sie in die Gegenwart zurück.
    Etwas entfernt, an einer Stelle, an der zwei Fußwege einander kreuzten, bemerkte sie einen Mann und erkannte Dr. Redmond, der abgebrochene Äste und Zweige auf einen Schubkarren lud. Als sie seinen Namen rief, blickte er auf.
    Â»Sammeln Sie Feuerholz?«, fragte sie im Näherkommen.
    Â»Nur Kleinholz zum Anzünden.« Sein Dufflecoat war vorn mit Laub und Baumrinde gesprenkelt. »Die größeren Äste lasse ich liegen. Sie bieten Insekten Unterschlupf, und das faulende Holz ist ein guter Nährboden für Pilze.«
    Â»Es ist sehr schön hier.«
    Â»Der Wald war völlig verwahrlost, als ich damals hierherkam. Die Bäume mussten alle zurückgeschnitten werden. Die Bauern haben kein Interesse daran, er bringt ihnen kein Geld ein. Aber wenn die Bäume hoch werden, nehmen sie dem Boden das Licht, und dann gibt es im Frühling keine Blumen mehr. Daher versuche ich, sie alle vier, fünf Jahre zurückzuschneiden. Ich habe über jede Art Buch geführt, die ich hier gefunden habe, seit ich im Cottage wohne. Im ersten Frühling gab es nur ein Dutzend Waldschlüsselblumen. Im letzten Jahr waren es so viele, dass ich ihre Anzahl nur überschlagen konnte.«
    Er hob den Schubkarren an und schob ihn auf dem Pfad, der Ellens Weg kreuzte, voran. Sie blieb an seiner Seite. »Von hier aus ist es wohl nicht weit bis zu Ihrem Haus?«
    Â»Nur den Wirtschaftsweg dort drüben entlang.«
    Â»Wie lange wohnen Sie dort schon?«
    Â»Zehn Jahre. Im Krieg war Wohnraum knapp. Damals hätte keiner so ein Haus für sich allein haben

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