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An einem Tag im Winter

An einem Tag im Winter

Titel: An einem Tag im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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staubsaugte im Erdgeschoss, und Gosse reparierte das Dach der vorderen Veranda. Sie horchte nach den Hammerschlägen, nach Schritten auf dem Kies.
    Während Gosse Kaffeepause machte, holte sie sich aus dem Geräteschuppen einen Schraubenzieher. Zurück im Haus, entfernte sie das Schloss an der Tür zum Arbeitszimmer. Sie durchsuchte Marcus’ Schreibtisch, nahm ihren Pass, Abigails Geburtsurkunde und die Waisenhausberichte an sich. Ganz hinten in einer Schublade entdeckte sie ein dickes Bündel Dollarscheine, mit einem Gummiband zusammengehalten. Das nahm sie auch noch mit und dazu die Schlüssel zum Austin-Healey, Marcus’ Lieblingswagen.
    Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass Gosse immer noch in der Küche war, verstaute sie die Reisetaschen im Kofferraum des Wagens. Danach fütterte und wickelte sie Abigail und machte sich etwas zu essen. Viola schaute herein, um sich für den Tag zu verabschieden.
    India zog ihren Trenchcoat an, setzte ein Kopftuch auf und ergriff den Tragekorb mit Abigail. Das Hämmern auf dem Verandadach setzte wieder ein, als sie ihn auf den Beifahrersitz des Healey stellte. Dann donnerte der Sportwagen die gekieste Einfahrt hinunter und nahm ein Stück Hecke mit, als India scharf in die Straße einbog. Gosses Schrei hallte hinter ihr her. Sie brauste durch Midhurst, am Café und an den Geschäften vorbei aus dem Ort hinaus. Als sie an dem Blockhaus bei der Straßengabelung vorbeikam, bremste sie ab und warf einen Blick den Hang hinauf, aber Linc war nicht zu sehen.
    In nördlicher Richtung fuhr sie weiter und gelangte bald auf unbekannte Straßen. Immer wieder sah sie in den Rückspiegel und kontrollierte die Straße hinter sich. Zuerst wusste sie nicht, wohin sie eigentlich wollte, aber im Laufe des Nachmittags fasste sie einen Entschluss.

13
    IN DER WOODSTOCK R OAD IN FINSBURY PARK trieb der Wind Regenböen durch die Straße und riss an Ellens Schirm. In den hohen Reihenhäusern, von denen einige in mehrere Wohnungen aufgeteilt worden waren, lebten Familien mit kleinen Kindern, Rentner und zwei junge Eheleute in Blue Jeans und karierten Hemden, die gerade den offenen Kamin in ihrem Wohnzimmer renovierten.
    Ellen begann ihre Suche am einen Ende der Straße, ging von Tür zu Tür und zeigte, wenn auf ihr Läuten geöffnet wurde, eine Fotografie.
    Das Foto war während des Krieges in Gildersleve Hall aufgenommen worden. Jahre später hatte sie es in Dr. Redmonds Labortagebuch gefunden, als sie es am Abend nach seinem Tod an sich genommen hatte. Die jungen Männer auf dem Bild wirkten entspannt und heiter. Jan Kaminski stand ein wenig abseits von seinen Kollegen, den Kopf zur Seite gedreht, sodass die von Narben entstellte Gesichtshälfte nicht zu sehen war. Marcus Pharoah blickte direkt in die Kamera, Dr. Redmond stand ihm lächelnd zugewandt.
    Ein alter Freund … während des Krieges aus den Augen verloren  … jemand sagte mir, er habe vielleicht hier gewohnt . Einige Leute warfen nur einen kurzen Blick auf das Foto, andere holten ihre Lesebrille und musterten es stirnrunzelnd. Aber alle schüttelten den Kopf.
    Ach, India, dachte sie, den Blick auf Phaorahs Gesicht auf dem Foto gerichtet. Sie verstand nicht, warum ihre ehemalige Freundin Marcus Pharoah geheiratet hatte, aber sie hatte ein ungutes Gefühl, und deshalb klapperte sie hier im strömenden Regen die Häuser ab.
    Ellen ging durch den nächsten kleinen Vorgarten und drückte auf den Klingelknopf der Souterrainwohnung. Aus einer beschädigten Regenrinne stürzten Wasserbäche herab, die sich über ihre Füße ergossen. Niemand öffnete ihr, die Jalousien im Souterrain waren heruntergelassen.
    Sie versuchte es in der Erdgeschosswohnung. Der Mann, der ihr öffnete, war schmächtig und mittelgroß. Er hatte schwarzbraunes Haar und sehr dunkle, sanfte Augen in einem jungenhaft schönen Gesicht. Er trug eine graue Flanellhose und ein hellblaues Hemd.
    Ellen stellte sich vor. Dann zeigte sie ihm die Fotografie. Sie sah, wie sich das eben noch etwas schläfrige, nur milde neugierige Gesicht veränderte.
    Â»Was wollen Sie?«, fragte er.
    Sie deutete auf Dr. Redmond. »Haben Sie ihn gekannt?«
    Â»Ich möchte wissen, was Sie von mir wollen.«
    Â»Mit Ihnen reden. Ich war eine Kollegin von Dr. Redmond. Ich habe im Herbst 1952 in Gildersleve Hall gearbeitet.«
    Â»Zweiundfünfzig? Waren Sie dort,

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