Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
An einem Tag im Winter

An einem Tag im Winter

Titel: An einem Tag im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
Vom Netzwerk:
als er gestorben ist?« Sein Ton war scharf und schroff, er sprach ein wenig wie die Leute im Südwesten.
    Â»Ja. Ich habe ihn damals gefunden.«
    Sein Mund öffnete sich einen Moment, dann nickte er und sagte: »Kommen Sie herein.«
    Â»Ich habe erst Wochen später von seinem Tod erfahren. Niemand hat mich benachrichtigt. Er hat mich regelmäßig jeden Monat hier besucht, doch im Dezember kam er plötzlich nicht. Da war mir klar, dass etwas passiert sein musste. Bryan war immer sehr zuverlässig. Er wäre nie weggeblieben, ohne mir Bescheid zu geben.«
    Der Mann, der Tony Ferrers hieß, ging rastlos im Wohnzimmer hin und her, während er sprach.
    Â»Waren Sie und Dr. Redmond lange befreudet?«, fragte Ellen.
    Â»Eine ganze Weile, ja.«
    Â»Ich habe ihn nicht gut gekannt«, sagte sie. »Aber wir haben uns ein paarmal unterhalten, und ich habe ihn gemocht. Ich habe ihn geschätzt.«
    Â»Er war ein guter Mensch. Ein sehr guter Mensch.«
    Â»Sie hatten ihn gern?«
    Â»Ja, sehr.« Ein Anflug trotziger Herausforderung. Er setzte sich aufs Sofa. »Ich habe ihm nie geschrieben. Da war Bryan sehr strikt. Er hat es mir praktisch verboten.«
    Ellen war verwirrt. »Ich verstehe nicht …« Aber noch während sie sprach, begann sie zu begreifen.
    Sein Mund verzog sich zu einem wehmütigen, ein wenig spöttischen Lächeln, während er abwartend zu ihr aufblickte. »Es spielt jetzt keine Rolle mehr. Bryan ist seit mehreren Jahren tot. Sagen wir einfach, dass unsere Freundschaft nicht von der Art war, die man gern publik gemacht hätte, Miss Kingsley.«
    Â»Oh.«
    Â»Genau.«
    Ihr Blick flog zu der Fotografie, die auf dem Couchtisch lag, dann kehrte er zu Tony Ferrers zurück. »Ich bin froh«, sagte sie. »Ich bin froh, dass er jemanden hatte.«
    Â»Ich war nie ein großer Zeitungsleser, mich hat nur der Sportteil interessiert, deshalb habe ich auch nicht mitbekommen, was passiert war. Als ich nichts hörte, habe ich schließlich in Gildersleve angerufen und behauptet, ich sei ein Freund. Die Frau am Telefon teilte mir mit, Bryan sei tot. Einfach so, kurz und bündig. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.«
    Â»Das tut mir leid«, sagte Ellen teilnahmsvoll.
    Â»Tja. Ich habe mich dann in die Bibliothek gesetzt und in den alten Zeitungen geblättert, wo ich einige Artikel über Bryan gefunden habe. ›Die Forschungsgemeinde trauert …‹ und solcher Mist. Ich habe sie heimlich ausgeschnitten. Ich wollte wissen, was passiert war. Und ich wollte ein Andenken haben. Nicht, dass ich ihn je vergessen würde. In der Zeitung stand, er wäre eine Treppe hinuntergestürzt.«
    Â»Ja, das stimmt. Ich wollte ihn in seinem Haus besuchen, weil ich mir Sorgen um ihn machte. Er war an dem Tag nicht zur Arbeit gekommen, und ich dachte, er wäre vielleicht krank. Als ich ankam, lag er unten vor der Treppe.«
    Â»Und er war tot?«
    Â»Ja.«
    Â»Wie lange schon?«
    Sie hatte gehofft, dass er nicht danach fragen würde. »Einige Stunden, hat die Polizei damals vermutet.«
    Â»Ach Gott, schrecklich, wenn ich mir vorstelle, dass er ganz allein gestorben ist. Als ich in der Wüste war, hat mir die Vorstellung, ich könnte von den Kameraden abgeschnitten werden und müsste mutterseelenallein da draußen herumirren, immer entsetzliche Angst gemacht.« Er wandte sich ab und fuhr sich mit der Hand über die Augen.
    Â»Soll ich uns eine Tasse Tee machen?«, fragte Ellen.
    Â»Nein, das mache ich schon. Tut mir leid.«
    Sie hörte, wie er sich schnäuzte, als er aus dem Zimmer ging. Ein paar Minuten später kam er mit einem Tablett zurück.
    Â»Sie waren Soldat?«, fragte sie.
    Â»Ja. Ich bin bei El Alamein verwundet worden, und da haben sie mich nach Hause verfrachtet. Kurz danach habe ich Bryan kennengelernt.«
    Â»Und wo, wenn ich fragen darf?«
    Er warf ihr einen halb verlegenen, halb belustigten Blick zu. »In einer ziemlich miesen kleinen Kaschemme in Chelsea, dreiundvierzig war das. Ich war ziemlich abgebrannt. Ich war noch im Krankenurlaub und wusste nicht, wohin.« Er schenkte den Tee ein. »Ich komme aus dem tiefsten, finstersten Somerset. Die Sonntage bei uns zu Hause bestanden aus purer Tristesse und den Schimpftiraden meines Vaters über Homosexuelle und Juden. Du lieber Gott. Kurz und gut, in dieser Kaschemme habe ich Bryan getroffen. Er saß

Weitere Kostenlose Bücher