An einem Tag im Winter
abgesperrt. Das Haus liegt so weit abseits von allem, da hält er es wahrscheinlich nicht für nötig â«
Sie brach ab. Riley kannte dieses erschrockene Innehalten, mit dem Menschen reagierten, wenn sie merkten, dass sie von jemandem in der falschen Zeitform sprachen.
»Sie sind also ins Haus gegangen«, fuhr er fort.
»Ja.« Sie fasste sich wieder. »Ich habe mich unten kurz umgeschaut, dann dachte ich, ich sollte vielleicht auch oben mal nachsehen, falls er krank im Bett läge. Aber ich habe die Tür zur Treppe nicht aufgekriegt. Er hat direkt davorgelegen. Als ich ihn gesehen habe, wusste ich gleich, dass er tot war.«
DrauÃen hörte Riley ein Auto vorfahren. Eine Tür wurde geöffnet und geschlossen.
»Ich glaube, das Haus ist durchsucht worden«, sagte Ellen Kingsley.
»Durchsucht?« Der gleiche Gedanke war Riley selbst schon gekommen.
»Unten war ein Riesendurcheinander.« Sie sah ihn an, die grauen Augen weit offen und beunruhigt. »Im Wohnzimmer hat alles herumgelegen. Dr. Redmond hätte es niemals so gelassen.«
Unten ertönten Stimmen: Mildmay, das ist ja eine unglückselige Geschichte.
Freut mich, Sie zu sehen, Dr. Pharoah. Nur schade, dass es unter so tragischen Umständen sein muss. Dann waren Schritte auf der Treppe zu vernehmen.
Sergeant Claybrooke öffnete die Tür. DrauÃen stand Superintendent Mildmay, um die fünfzig, klein, mit hellen Augen und dünnem rotblondem Haar, durch das rosa die Kopfhaut schimmerte. Der hochgewachsene, dunkle Mann, der ihn begleitete, musste Dr. Pharoah sein, der Leiter von Gildersleve Hall.
Superintendent Mildmay sagte: »Ich übernehme jetzt, danke, Riley. Sie können sich weiter um das Cottage kümmern. â Miss Kingsley, ein hässlicher Schock für Sie. Sie können jetzt nach Hause gehen.« Er richtete den blassen Blick wieder auf Riley. »Nun machen Sie schon, Inspector. Dr. Pharoah hat nicht den ganzen Tag Zeit.«
Ellen hörte, wie die Tür zu Marcus Pharoas Büro geschlossen wurde. Durch die angrenzende Wand war Stimmengemurmel zu vernehmen. Sie starrte zu der Tasse mit dem Tee hinunter, den sie nicht über die Lippen brachte. Er erinnerte sie an den eiskalten Tee in Dr. Redmonds Haus. Sie fühlte sich schwindlig und benommen, und als sie aufstand, zitterten ihre Beine.
Unten in der Halle fragte jemand: »Ellen?« Sie drehte sich um und sah Alec Hunter.
»Ich habe gehört, was passiert ist«, sagte er. »Ich habe hier unten gearbeitet. Der arme Redmond. Wie scheuÃlich. Kaum zu fassen.«
Sie schloss die Augen, schüttelte den Kopf und hörte ihn sagen: »Sie sind ganz fertig, nicht? Kommen Sie, trinken Sie einen Schluck. Das wird Ihnen guttun.«
Alec zog einen Flachmann heraus und reichte ihn ihr. Ellen nahm einen Schluck Scotch. Er war weich und feurig und schmeckte nach Meer.
»Danke«, sagte sie.
»Wohin wollen Sie jetzt?«
»Nach Hause.«
»Sie wohnen in Copfield, nicht? Ich bringe Sie heim. Warten Sie, ich hole nur meinen Mantel.«
Froh, ihm die Initiative überlassen zu können, setzte sie sich in einen Sessel, um auf ihn zu warten. Ein paar Minuten später kam er im Mantel zurück und ging mit ihr zum Schuppen, ihr Fahrrad holen. Ihre Aktentasche lag noch hinten im Korb. Sie dachte an Dr. Redmonds Labortagebuch, das sie darin verstaut hatte.
Wenn sie jetzt zurückblickte, würde sie die Zwillingsspur ihrer FuÃabdrücke sehen. »Ich glaube, es ist gestern passiert«, sagte sie. »Ich glaube, er hat den ganzen Tag da gelegen.«
Ein schneller Blick zu ihr. »Woher wollen Sie das wissen, Ellen? Denken Sie am besten gar nicht dran.«
Sie sah ihn wieder vor sich, wie sie ihn gefunden hatte, und schlug schaudernd die Hände vors Gesicht. Alec lehnte das Fahrrad an einen Laternenpfahl und nahm sie in den Arm. Wie egoistisch von ihr, wie herzlos, dachte sie, dass sie in diesem Moment die Wärme seines Körpers, seine tröstende Stimme derart genieÃen konnte.
Sie trat von ihm weg. »Tut mir leid. Haben Sie noch was von dem Whisky, Alec?«
»Bitte.« Sie tranken beide aus der Flasche. »Wollen Sie darüber reden?«, fragte er.
»Eigentlich nicht.«
Noch nicht. Erst musste sie über etwas nachdenken. Sie â und wahrscheinlich nur sie â hatte den Streit zwischen Dr. Redmond und Marcus Pharoah mitangehört. Ich
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