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An einem Tag im Winter

An einem Tag im Winter

Titel: An einem Tag im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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stimmt. Er hat auf mich immer so schutzlos und allein gewirkt, auch wenn ich gar nicht weiß, ob er selbst sich so gefühlt hat. Ich glaube nicht, dass ich für ihn von Bedeutung war. Bestimmt hat er nie auch nur einen Gedanken an mich verschwendet.« Sie stand auf. »Wenn das alles ist, würde ich jetzt gern weiterarbeiten.«
    Â»Ja, das ist so ziemlich alles.« Riley beobachtete ihr Gesicht, als er fragte: »Haben Sie Dr. Redmonds Labortagebuch zurückgebracht?«
    Â»Sein Labortagebuch?« Er sah ihr Erschrecken, sah, wie sie nach dem Arbeitstisch griff, um sich zu stützen.
    Â»Es war nicht da, als ich gestern Abend seine Sachen durchgesehen habe. Ich vermute, dass entweder Sie oder Mr. Gosse es an sich genommen und heute Morgen zurückgebracht haben. Vielleicht auch Alec Hunter. Wenn Sie es nicht waren, frage ich Gosse und Hunter danach.«
    Â»Doch, ich war es.«
    Â»Warum haben Sie es mitgenommen?«
    Sie ließ sich auf den Hocker fallen und senkte den Kopf auf die aufgestützten Arme.
    Â»Ich musste etwas nachsehen.«
    Â»Diese Bücher sind Protokolle Ihrer Arbeit, nicht wahr?«
    Â»Ja, sie enthalten tägliche Berichte – meistens über Versuche.«
    Â»Sie wollten also etwas über Dr. Redmonds Arbeit herausfinden?«
    Â»In gewisser Hinsicht.« Sie schwieg einen Moment, bevor sie hinzufügte: »Vor ungefähr vierzehn Tagen hat Dr. Redmond Dr. Pharoah des Plagiats beschuldigt.«
    Â»Er hat ihm das ins Gesicht gesagt?«
    Â»Nein, er sagte es zu mir. Deshalb habe ich das Buch mitgenommen. Ich dachte, ich würde vielleicht einen Hinweis darauf finden, was er gemeint hatte.«
    Â»Und? Gab es so einen Hinweis?«
    Â»Soweit ich sehen konnte, nicht. Nein. Aber …«
    Â»Miss Kingsley?«
    Â»Sie hatten Streit. Dr. Redmond und Dr. Pharoah. Ich habe die beiden gehört.«
    Â»Wann war das?«
    Â»Am Montagnachmittag. Vorgestern.«
    Â»Wissen Sie, worum es ging?«
    Â»Nicht genau.«
    Er wartete, hatte den Eindruck, dass sie versuchte, sich innerlich zu wappnen wie vor einem gefährlichen Sprung. »Dr. Redmond hat zu Dr. Pharoah gesagt, er solle ihn endlich in Ruhe lassen. Als Dr. Pharoah ablehnte, hat Dr. Redmond gedroht, er werde Dr. Pharoah vernichten, er habe Beweise, und er würde sie auch benutzen.«
    Â»In genau diesen Worten?«
    Â»So ziemlich.«
    Â»Was meinte er damit? Was für Beweise, und vor allem wofür?«
    Â»Das weiß ich auch nicht. Mehr habe ich von dem Gespräch nicht mitbekommen. Aber Dr. Redmond war außer sich. Richtig wütend. Dabei hatte er eigentlich ein eher stoisches Temperament.«
    Genau das warf Pearl ihm selbst auch manchmal vor. Seit Annies Geburt tobte sie ihr eigenes Temperament nach allen Seiten aus.
    Eine Stimme – die von Superintendent Mildmay – schallte scharf und ungeduldig die Treppe herauf. »Riley? Sind Sie noch da oben?«
    Â»Er war erregt«, sagte Ellen Kingsley. »In der Erregung sagt man manches.«
    Â»Da haben Sie recht.« Riley lächelte.
    Inspector Riley war groß und breitschultrig. Er trug das hellbraune Haar seitlich gescheitelt und hatte ein markant geschnittenes, sympathisches Gesicht: lange, schmale Nase, hohe Stirn, energisches Kinn. Seine Augen sprühten vor Intelligenz, das war Ellen aufgefallen, als er sie nach dem Labortagebuch gefragt hatte.
    Als sie ihm von dem Streit berichtete, hatte sie sich bewusst dafür entschieden, aus »Pharoahs Truppe« auszuscheren. Sie war nicht stolz darauf, ihr war nicht einmal bange dabei, sie fühlte sich nur wie benebelt vor Müdigkeit. Und auch wenn sie sich sagte, dass alles in Ordnung kommen würde, konnte sie sich eigentlich nicht vorstellen, wie das gehen sollte. Selbstverständlich würde Inspector Riley Marcus Pharoah nach dem Streit mit Dr. Redmond fragen, schließlich ließe es sich nicht einfach ignorieren, dass Dr. Redmond offenbar nur wenige Stunden nach seiner Drohung, den Leiter von Gildersleve Hall zu vernichten, gestorben war.
    Der Tag erschien ihr unnatürlich lang, ein endloses Warten darauf, dass etwas passieren würde. Sie konnte sich nicht auf ihre Arbeit konzentrieren, und Andrée pflegte immer noch ihre schlechte Laune, deshalb ging Ellen schließlich zu Alec Hunter ins Labor hinunter. Sie huschte hinein, setzte sich auf einen Hocker und trank den Kaffee, den er ihr machte. Sie war froh, dass er

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