An einem Tag im Winter
andere Möglichkeit, denn im Cottage gab es kein Telefon.
Sie begann schneller zu laufen. Ein-, zweimal blickte sie über die Schulter zurück, als würde sie von etwas gejagt. Dünne Zweige schlugen ihr ins Gesicht, und als sie den Lampenstrahl den breiten Weg entlangschickte, sah sie, dass der Schnee vor ihr unberührt war. Sie war zu weit gelaufen, hatte die Wegkreuzung in der Mitte des Peddarâs Wood übersehen und die Abzweigung verpasst. Ihr Atem stieg in schnellen StöÃen in die eiskalte Luft.
Denk nach.
Sie kehrte um, folgte ihren FuÃabdrücken, bis sie den Weg fand, der sie durch die Bäume nach Gildersleve Hall führen würde. Beim Laufen dachte sie an das einsame, notdürftig ausgestattete Backsteinhäuschen, in dem es drinnen kaum wärmer gewesen war als drauÃen. Sie dachte an Dr. Redmond und seine ganz besondere Art. Alles ausgelöscht jetzt, seine Genialität, seine Eigenart.
Endlich erreichte sie freies Feld. Der Mond beleuchtete das Dach von Gildersleve Hall und die quadratische Turmkrone. Sie rannte den Ackerrand entlang, die gefrorenen Erdhügel des umgepflügten Feldes hart unter ihren FüÃen, und erreichte schlieÃlich stolpernd und keuchend das Wäldchen. Vom Licht der Lampe lieà sie sich zwischen den Bäumen hindurchführen. Als sie den Kiesweg zur Seitentür des Hauses hinunterlief, verlieÃen sie die vom Schock freigesetzten Kräfte, die sie vorangetrieben hatten, und sie fühlte sich matt vor Fassungslosigkeit und Erschöpfung.
Im Haus vernahm sie das monotone Brummen des Staubsaugers. Mary, die Putzfrau, hob den Kopf, als sie in den Korridor hastete.
»Sie haben ja einen Kratzer im Gesicht, Miss Kingsley.«
Die Büros von Marcus Pharoah und seiner Sekretärin waren leer. Ellen setzte sich an den Schreibtisch der Sekretärin, um zu telefonieren. Ihre Hände zitterten so stark, dass sie kaum den Hörer halten konnte. Die Vermittlung stellte sie zur Polizeidienststelle in Cambridge durch. Während sie mit einem Beamten sprach, blickte sie auf und sah Roy Gosse an der offenen Tür stehen.
Sobald sie das Gespräch beendet hatte, sagte sie: »Es hat einen Unfall gegeben. Dr. Redmond. Er ist tot. Ich war gerade in seinem Haus. Er ist anscheinend die Treppe hinuntergestürzt. Die Polizei habe ich schon angerufen, aber jemand muss Dr. Pharoah Bescheid geben.«
Gosse drängte sich an ihr vorbei zum Telefon. Ellen hörte ihn eine Nummer wählen, als sie das Zimmer verlieÃ.
Plötzlich fiel ihr etwas ein. Hastig rannte sie die Treppe hinauf ins obere Stockwerk, lief in den Turm und in Dr. Redmonds Labor. Sie nahm das Labortagebuch vom Arbeitstisch und schob es unter ihren Mantel, dann machte sie kehrt, schloss die Tür hinter sich und eilte die Turmtreppe hinunter. Unten hörte sie schnelle Schritte â wahrscheinlich Gosse, dachte sie.
Sie lief in den Fahrradschuppen, steckte Dr. Redmonds Labortagebuch in ihre Aktentasche und kehrte dann ins Haus zurück, um auf die Polizei zu warten.
Die Meldung ging kurz nach halb sieben auf der Dienststelle ein: ein plötzlicher Todesfall in einem Cottage auf dem Gelände von Gildersleve Hall, dem naturwissenschaftlichen Labor westlich von Cambridge. Inspector John Riley von der Kriminalpolizei nahm Sergeant Claybrooke mit und veranlasste die Entsendung zweier weiterer Beamter zum Haus. Claybrooke lenkte den Wolseley auf den vereisten StraÃen mit einer sicherheitsbewussten Bedächtigkeit, die Rileys Geduld auf eine harte Probe stellte. Es war kaum Verkehr an diesem kalten Dezemberabend, und bald hatten sie die Stadt hinter sich gelassen.
Als sie sich der Abzweigung zu dem Cottage näherten, rollte hinter ihnen der zweite Polizeiwagen heran, und sie rumpelten im Konvoi den in eisigen Furchen erstarrten Wirtschaftsweg hinunter. Riley lieà Claybrooke in einiger Entfernung vom Haus anhalten, und sie legten, ihre Taschenlampen schwenkend, den Rest des Wegs zu Fuà zurück. Kurz vor dem Haus bemerkte der Inspector FuÃabdrücke im Schnee, die in den Wald hineinführten.
Die Haustür war unverschlossen. Riley ging seinen Leuten voraus. Der Tote, ein Mann von vielleicht Mitte vierzig, lag am Fuà der Treppe. Jedem plötzlichen Tod wohnte eine schicksalhafte Tragik inne, erschütternd in ihrem unglückseligen Zusammenwirken von Zufall und Ungeborgenheit, wie sie sich hier, in diesem kalten,
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