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An einem Tag im Winter

An einem Tag im Winter

Titel: An einem Tag im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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nicht viel redete, und genoss es einfach, ihn bei der Arbeit zu beobachten; die Sensibilität seiner kräftigen Hände, als er mit einer Pipette Flüssigkeit dosierte; die kleine steile Falte, die sich auf seiner Stirn bildete; die Entschiedenheit und Direktheit, mit der er jeden Handgriff ausführte. So verging die Zeit, begleitet vom Ticken der Uhr und den sachte fallenden Flocken vor dem Fenster, Momente einer Intimität ohne Worte.
    Donnerstagmorgen. In der Mittagspause kam Marcus Pharoah, um ihnen zu berichten. Die Polizei sei überzeugt, dass Dr. Redmond das Opfer eines tragischen Unfalls geworden war, teilte er ihnen mit. Die rechtsmedizinische Untersuchung werde schon bald abgeschlossen und der Leichnam danach zur Beerdigung freigegeben. Er selbst – Pharoah – werde sich um die Formalitäten kümmern, da Dr. Redmond keine engere Familie gehabt habe. Leider könne er wegen einer seit Langem bestehenden Verpflichtung in den USA nicht an der Beerdigung teilnehmen, aber Dr. Kaminski werde ihn vertreten. Er rechne mit zahlreichem Erscheinen der Mitarbeiter, seine Sekretärin werde sich um die Blumen kümmern. Dr. Redmond sei ein brillanter Naturwissenschaftler und eine unersetzliche Stütze des Instituts gewesen, ihm von Beginn an verbunden. Man werde ihn sehr vermissen.
    Als Pharoah gegangen war, standen alle eine Weile herum, dann holten Toby und Jan Kaminski das Schachbrett heraus, und Martin setzte Teewasser auf. Das war’s dann also, dachte Ellen. Aus und erledigt. Irgendjemand würde bemerken, dass der gestreifte Henkelbecher noch auf dem Bord stand, und ihn bei Gelegenheit in eine Altwarensammlung geben. Ein neuer Mitarbeiter würde in das Turmlabor einziehen.
    Wer hat dein Haus durchsucht?, dachte sie. Worüber hast du mit Pharoah gestritten? Welche Beweise wolltest du vorlegen? Und wofür?
    Â»Kopf hoch, Kingsley«, sagte Martin. »In zwei Wochen dürfen wir alle heim und Weihnachten feiern.«
    Niemand fand etwas Beunruhigendes an Dr. Redmonds Tod. Niemand außer ihr grübelte über seine Umstände nach.
    Nach der Mittagspause ging Martin mit ihr nach oben. Er habe da eine irre Idee gehabt, sagte er, zur Anordnung von anorganischen Ionen im dreidimensionalen Raum. Sie sei ihm gestern Abend auf einer Fete gekommen – ja, er wisse schon, dass es ziemlich taktlos sei, auf eine Fete zu gehen, wo der arme alte Redmond noch nicht einmal unter der Erde war –, aber er habe einfach rausmüssen aus dieser Tristesse, da kriege man ja das Gruseln.
    Sie gingen ins Labor. Andrée war nicht da. Das Wetter war ein wenig milder geworden. Ellen wischte eine der beschlagenen Fensterscheiben frei.
    Ihr Blick wanderte zum Fahrradschuppen, und sie erstarrte. Ein roter Schal, dunkle Locken und Alecs Hand in Andrées Nacken, als er sich über sie beugte. Sie küssten sich, dachte sie bitter, als wären sie die einzigen Menschen auf der Welt. Als gäbe es nichts außer ihnen.
    Sie bemerkte erst, dass Martin neben sie getreten war, als er einen leisen Pfiff ausstieß. »Donnerwetter. Tja, ich habe mir fast gedacht, dass da wieder was geht.« Er warf ihr einen Blick zu. »Sie hatten wohl keine Ahnung?«
    Â»Nein«, sagte sie leise.
    Â»Ich habe die beiden vor ein paar Tagen in Cambridge zusammen gesehen. Ich hätte es Ihnen erzählt, hätte es da nicht dieses kleine Missverständnis zwischen uns gegeben.«
    Da glaubte man zu verstehen, und dann entdeckte man, dass man völlig falschlag. Man machte sich Hoffnungen, gleich, wie unbegründet oder irrational, und dann wurde man gezwungen, sie aufzugeben.
    Als Martin gegangen war, setzte sich Ellen an ihren Arbeitstisch, klappte ihr Labortagebuch auf und schraubte den Füller auf. Sie schrieb das Datum, unterstrich es, dann legte sie den Füller weg, schlug die Hände vors Gesicht und weinte.
    Am späten Freitagnachmittag, als Riley gerade Feierabend machen wollte, rief Ellen Kingsley an. Sie entschuldigte sich für die Störung und kam direkt zur Sache. »Dr. Pharoah hat uns berichtet, dass die Polizei glaubt, Dr. Redmond sei infolge eines Unfalls gestorben«, sagte sie. »Glauben Sie das im Ernst, Inspector Riley?«
    Claybrooke schob ihm einen Stapel Papiere auf den Schreibtisch. Riley nickte dankend. Dann sagte er: »Die Todesursache war ein Genickbruch, Miss Kingsley. Der Teppich im oberen Flur hatte einen Riss, und unter einem von

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