An einem Tag im Winter
Forschung. Aber es besteht eine Art stillschweigende Vereinbarung darüber â eine Ãbereinkunft unter Ehrenmännern, wenn Sie so wollen â, dass man einem Kollegen, der auf einem bestimmten Gebiet forscht, freie Bahn lässt und sich selbst auf etwas anderes konzentriert.«
»Und ist Dr. Pharoah ein Ehrenmann?«
Ellen wich der Frage aus. »Wenn man jahrelang an einer bestimmten Sache dran war und kurz vor dem Ziel überflügelt wird, hat man wahrscheinlich das Gefühl, um den Lohn seiner Arbeit gebracht worden zu sein. Auch wenn es nicht unbedingt stimmt. Aber als Dr. Redmond von âºBeweisenâ¹ sprach, dachte ich, er meinte etwas Greifbares, etwas Schriftliches.«
»Warum?«
»Ich weià es nicht, wirklich nicht. Vielleicht weil er ein so sachlicher, nüchterner Mensch war. Aber es mag sein, dass ich da etwas falsch verstanden habe. Vielleicht hätte ich den Streit gar nicht erwähnen sollen. Vielleicht bin ich nur albern und â illoyal.« Sie sah tiefunglücklich aus.
»Sie wollten, dass wir die Wahrheit über den Tod Ihres Bekannten herausfinden. Daran ist nichts Albernes oder Illoyales. Dr. Pharoah versteht bestimmt, dass Sie uns von dem Streit erzählen mussten, Sie hatten gar keine andere Wahl.«
Doch ganz so sicher, wie seine Worte klangen, war Riley sich da nicht. Er hatte etwas Aalglattes an Pharoah bemerkt. Der Mann war ihm unsympathisch. Und Superintendent Mildmays eiliges Bemühen, die ganze Geschichte unter den Teppich zu kehren, um Pharoahs Ruf zu schützen, hatte bei ihm einen üblen Nachgeschmack hinterlassen.
»Eins ist mir aufgefallen.« Riley blätterte seinen Block durch. »Bryan David Jeffrey Redmond â glänzender Schüler, bereits mit siebzehn Studium in Cambridge, Abschluss mit Bestnoten. Der Vater starb, als er noch zur Schule ging, die Mutter kurz nach dem Krieg. Er hatte keine Geschwister, keine engeren Angehörigen, und niemand, mit dem ich gesprochen habe, konnte mir etwas über Freunde sagen. Aber ich habe alte Zugbillets in seinem Haus gefunden. London hin und zurück.«
»Ich habe ihn einmal am Bahnhof Kingâs Cross aussteigen sehen.«
»Ich habe mich beim Bahnhof in Cambridge erkundigt. Zwei Angestellte erinnerten sich, ihn jeden Monat gesehen zu haben. Ihrer Aussage zufolge fuhr er regelmäÃig nach London. Schon seit Jahren. Mein Sergeant fand ein ganzes Bündel Fahrkarten im Haus, für Zug und Untergrundbahn. An den Daten war allerdings keine RegelmäÃigkeit zu erkennen.«
Sie sah ihn nachdenklich an. »Man muss die Rückfahrkarte an der Sperre abgeben. Wahrscheinlich hat Dr. Redmond seine einfach behalten, wenn viel los war und der Schaffner nicht jede Karte einsammeln konnte. Das wäre eine Erklärung für die UnregelmäÃigkeit.«
»Aber weshalb hat er die Karten behalten?«
»Ich sage doch, er war ein Sammler.«
»Haben Sie eine Ahnung, was Dr. Redmond in London gemacht haben könnte?«
»Leider nicht.«
»Vielleicht hat er einen Freund besucht. Oder eine Geliebte.«
»Eine Geliebte?« Sie lächelte. »Nein.«
»Die meisten Menschen haben Geheimnisse, Ellen. Auch ich. Und Sie vermutlich ebenfalls.«
Sie wurde rot und schaute schnell weg. Offensichtlich hatte er ins Schwarze getroffen. Sie trug keinen Ring; hatte sie eine Beziehung, eine heimliche vielleicht? Womöglich mit jemandem von Gildersleve Hall?
»Von all den Dingen, die Sie mir eben über Dr. Redmond erzählt haben, habe ich praktisch nichts gewusst«, sagte sie jetzt. »Mir war nicht einmal bekannt, dass er Bryan hieÃ. Traurig eigentlich, nicht wahr?« Sie schüttelte leicht den Kopf. »Passiert es Ihnen manchmal, dass Ihre eigenen Gedanken Sie langweilen, Riley?«
»Häufig.«
»Meine drehen sich nur im Kreis. Ich sage mir ständig, ich hätte zu ihm gehen sollen. Am Montagnachmittag, nach dem Streit, hätte ich zu ihm gehen sollen. Es wäre ihm nicht recht gewesen, aber trotzdem.«
»Ich bezweifle, dass das etwas geändert hätte. Er zählte offenbar nicht zu den Menschen, die sich anderen leicht anvertrauen.« Riley schaute auf die Uhr. »Ich muss los, meine Frau und meine Tochter warten auf mich. Darf ich Sie nach Hause fahren?«
»Sie wollen wohl sicher sein, dass ich nicht hier sitzen bleibe und einen Whisky nach dem anderen trinke?« Sie zog
Weitere Kostenlose Bücher