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An einem Tag im Winter

An einem Tag im Winter

Titel: An einem Tag im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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spöttisch die Augenbrauen hoch. Aber sie stand auf und ließ sich von ihm in den Mantel helfen.
    Als sie das Pub verließen, sahen sie Roy Gosse, der von zwei Männern aus dem Schankraum geschleppt und zur Tür hinausgestoßen wurde. Torkelnd und fluchend fiel er in den Schnee. Riley nahm Ellen beim Arm und führte sie an dem Betrunkenen vorbei.
    Auf der kurzen Fahrt zu ihrer Wohnung an der Cambridge Road sprachen sie wenig. Vor dem Bungalow hielt Riley an, schrieb etwas auf ein Blatt in seinem Block und riss es heraus. »Das ist meine Londoner Nummer«, sagte er. »Ich habe mich zu Scotland Yard zurückversetzen lassen. Bitte rufen Sie mich an, sollte Ihnen noch irgendetwas einfallen. Aber so, wie sich die Dinge bisher darstellen, glaube ich, dass Dr. Redmond ausgerutscht und gestürzt ist, und das nicht nur, weil Mildmay und Pharoah es gern so hätten.«
    Ellen nickte und stieg aus dem Wagen. Riley wartete, bis sie im Haus war. Dann legte er den Gang ein und fuhr los.
    Das neue Haus, ein freundliches, wenn auch etwas heruntergekommenes Reihenhaus, lag in Tufnell Park im Londoner Norden. Als Riley um halb zehn dort ankam, stand Pearl am Wohnzimmerfenster und rauchte.
    Â»Wo warst du so lange?«, fragte sie. Seine Stimmung sank.
    Â»Ich habe gearbeitet.« Er nahm Mantel und Schal ab. »Außerdem war starker Verkehr. Schläft Annie schon?«
    Â»Ja, sie war todmüde.«
    Pearl trug ihren alten chinesischen Morgenrock, scharlachroter Satin mit aufgestickten Drachen, und darunter eine lange Hose und einen violetten Pullover. Sie war groß und dünn und hatte lange schwarze Haare, eine weiße Haut und blassgrüne Augen.
    Sie schnippte Asche in eine Untertasse. »Ich dachte, du kämst viel früher.«
    Â»Solange ich noch in Cambridge bin, muss ich länger arbeiten. Das hab ich dir doch gesagt.«
    Ein Fehler, diese letzte Bemerkung. Ihr schönes Gesicht verzog sich, und sie sagte: »Du hättest weiß Gott wo sein können. Mit weiß Gott wem zusammen.«
    Â»War ich aber nicht.« Da das genau genommen eine Lüge war, setzte er schnell hinzu: »Und jetzt bin ich ja da. Wie war dein Tag?«
    Â»Scheußlich. In diesem Chaos findet man gar nichts, das Licht im Flur geht nicht, ich hab das Holz im Kamin nicht zum Brennen gebracht und friere mich halb zu Tode.« Sie zupfte erregt an ihrem Kimono. »Du hast’s gut, du kannst einfach gehen, aber ich sitze den ganzen Tag hier fest. Und in der Wäschekammer höre ich immer so ein komisches Geräusch.«
    Â»Wahrscheinlich ist Luft in den Leitungen.«
    Â»Und wenn es Mäuse sind? Ich hasse Mäuse. Uh-ah!«
    Er legte den Arm um sie und hielt sie fest, bis sie aufhörte zu zittern. »Ich schau nachher mal nach«, versprach er, während er ihren Rücken streichelte. »Hast du etwas gegessen?«
    Â»Toast. Mit Annie zusammen.«
    Â»Ich mache uns etwas, okay?«
    Â»Okay.« Sie holte einmal zitternd Atem und nahm sich zusammen. »Tut mir leid, John.«
    Er machte zuerst Feuer, dann ging er in die Küche und kratzte aus den mageren Vorräten in der Speisekammer ein Abendessen zusammen. Überall standen Kartons mit Geschirr und Küchengeräten herum, und wenn man etwas suchte, konnte man es nicht finden, genau wie Pearl gesagt hatte. Nachdem er eine Dosensuppe aufgesetzt hatte, ging er nach oben, um nach seiner vierjährigen Tochter zu sehen.
    Sie schlief fest, die braunen Locken wirr um das runde kleine Gesicht, Arme und Beine entspannt von sich gestreckt. Riley deckte sie noch einmal richtig zu, küsste sie und ging wieder hinunter.
    Sie aßen im Wohnzimmer vor dem Feuer. Danach machte sich Pearl eine Wärmflasche und ging zu Bett, während Riley eine Taschenlampe herauskramte und die Wäschekammer inspizierte. Etwas später schaute er zu Pearl ins Schlafzimmer, um ihr zu versichern, dass er nirgends eine Spur von Mäusen gefunden habe.
    Â»Du glaubst wahrscheinlich, ich hätte mir das nur eingebildet«, sagte sie, drehte sich um und zog sich die Bettdecke über den Kopf.
    Erleichterung breitete sich in ihm aus, als er die Treppe hinunterging. Er kannte dieses Gefühl nur allzu gut, stellte es sich doch beinahe automatisch ein, sobald Pearl zu Bett gegangen oder aus dem Haus war. Dann war endlich Schluss mit ihren Vorwürfen und Tränen, und er musste nicht länger aus Angst vor ihren Launen auf Zehenspitzen

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