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An einem Tag im Winter

An einem Tag im Winter

Titel: An einem Tag im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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können, war ihm anzusehen.
    Ellen vermutete, dass er übertrieb, aber sie war neugierig geworden. Simon Hacker trank einen Schluck von seinem Bier und wischte sich den Mund mit dem Handrücken. »Dann bist du wahrscheinlich zu Kaminskis Zeiten dort gewesen?«
    Woraus zu schließen war, dachte sie, dass Jan Kaminski nicht mehr in Gildersleve Hall arbeitete. Interessant.
    Â»â€ºLe Fou du Roi‹hat ein abruptes Ende gefunden. Cambridge hat ihm ein Forschungsstipendium angeboten«, fuhr Simon Hacker fort. »Alle glaubten, er würde bis an sein Lebensende in Gildersleve Hall bleiben. Guter Gott, Kaminski und Pharoah waren praktisch miteinander verheiratet . Viele von den anderen sind auch gegangen. Toby Dorner zum Beispiel, aber den wollten sie ja schon seit Jahren in Harvard haben. Dann diese hübsche Französin. Und der Schotte, so ein großer Dunkler, wie heißt er gleich wieder? Er ist jetzt am King’s College hier in London.«
    Am King’s. Ellen hatte plötzlich Herzklopfen. »Du meinst, Alec Hunter?«
    Â»Richtig.« Simon Hacker leerte sein Glas. »Wollen wir tanzen?«
    Sie gingen in die Küche. Rosemary Clooney sang etwas Bittersüßes, und Ellen ließ sich von Simon Hacker in die Arme nehmen. Alec Hunter war also in London, aber das hatte nichts zu bedeuten. Das alles war lange, lange her, und Alec war inzwischen wahrscheinlich mit Andrée Fournier verheiratet, herzlichen Glückwunsch diesem schlecht gelaunten Paar, sie verdienten einander. Ihr war es egal, ob Alec in Cambridgeshire, London oder Timbuktu war. Simon Hacker rieb mit der Hand über ihren Rücken, als wollte er sämtliche Fältchen aus ihrem Kleid streichen, aber das machte nichts, sie wusste, dass er sie heute Abend noch fragen würde, ob sie mit ihm ins Kino oder zum Essen gehen wolle. Sie wusste zwar noch nicht, was sie ihm antworten würde, aber es täte auf jeden Fall gut, gefragt zu werden.
    India kam herein, Joe folgte ihr mit entrücktem Blick. Joe, du armer Idiot, dachte Ellen, dann schloss sie die Augen und ließ ihren Kopf an Simon Hackers Schulter sinken.
    In diesem Herbst beschloss India, mehr wie Ellen zu sein. Ellen hätte sich niemals in einen solchen Schlamassel hineinmanövriert wie sie, sie schuldete den Leuten kein Geld, ihr stellten keine Männer nach, die sie nicht ausstehen konnte. Ellen hatte gewisse Angewohnheiten – dieses feine Hochziehen der Augenbrauen zum Beispiel, wenn jemand eine alberne Bemerkung machte oder etwas in ihren Augen Unvernünftiges tat, außerdem diese Resolutheit, mit der sie alles in ihrem Alltag erledigte, als müsste jeder Moment sinnvoll genutzt werden. India probierte Ellens Art an wie einen neuen Mantel. Sie bewegte sich mit schnelleren Schritten, klappte ihre Handtasche so energisch zu, wie Ellen es tat. Wenn sie merkte, dass sie sich langweilte und ihre Gedanken zu wandern begannen, versuchte sie, sich innerlich zur Ordnung zu rufen. Sie wusste, wie leicht es war, sich gehen zu lassen. Man lag auf dem Bett, blätterte träge in einer Zeitschrift und hörte sich »My Funny Valentine«an , während sich rundherum Abgründe auftaten.
    Ellen gehörte zu jenen Menschen, die bestimmte Dinge jeden Tag zu einer bestimmten Zeit taten – essen, zur Arbeit gehen, schlafen –, doch so war Indias Leben nie gewesen. Sie versuchte, sich an eine feste Ordnung zu halten, aber die Ereignisse schienen sich ihr in den Weg zu stellen und zwangen sie, Dinge zu tun, die sie gar nicht geplant hatte. Sie bemühte sich wirklich, jeden Tag pünktlich zur Arbeit zu erscheinen, aber es war schwierig. Entweder rief genau in dem Moment, in dem sie aufbrechen wollte, ein Freund an, oder sie war so kaputt von einer langen Nacht, dass sie sich die Decke über den Kopf zog, wenn Sebastian ihr den Morgentee brachte, und wieder einschlief. Oder sie erwachte irgendwo auf der anderen Seite von London in einem fremden Bett und hatte nichts dabei, nicht einmal einen Kamm. Mrs. Maloney, die Geschäftsführerin, hatte erst vor Kurzem wegen ihrer Einstellung zu Pünktlichkeit mit ihr gesprochen. India hatte einen Schreck bekommen: Sie liebte ihre Arbeit und wollte sie nicht verlieren. Dennoch hatte sie bei sich eine gewisse Resignation festgestellt, das Gefühl, dass solche Dinge außerhalb ihrer Kontrolle lagen. Sie hatte einmal versucht, mit Ellen darüber zu sprechen, aber die hatte

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