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An einem Tag im Winter

An einem Tag im Winter

Titel: An einem Tag im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Freie hinaus.
    Vor dem Krankenhaus war viel Betrieb, wie immer am Freitag, wenn die Opfer alkoholbedingter Unfälle und Schlägereien gebracht wurden. Als sie sich anschickte, die Treppe hinunterzugehen, wurde sie von einem torkelnden Mann in einem blauen Arbeitsanzug so heftig angerempelt, dass sie das Gleichgewicht verlor. Mit den Armen wedelnd, um sich zu fangen, ließ sie Aktenmappe und Handtasche fallen. Der Betrunkene fluchte lallend und blies ihr seinen nach Bier stinkenden Atem ins Gesicht.
    Jemand sagte scharf: »Passen Sie doch auf«, und hielt sie fest, als sie zu stürzen drohte.
    Der Begleiter des Betrunkenen im blauen Arbeitsanzug schimpfte: »Ted, du Trottel«, dann sagte er zu Ellen: »Entschuldigen Sie, Miss, er ist nicht mehr ganz nüchtern«, und schob seinen Freund durch die Tür, während Ellen wenig anmutig auf der Treppe zwischen Zigarettenstummeln und weggeworfenen Papieren hockte und sich an der Hand eines Fremden festhielt.
    Nein, der Mann war kein Fremder. »Hallo, Ellen, alles in Ordnung?«, fragte er, und als sie aufblickte, erkannte sie Inspector Riley.
    Er half ihr auf. Sie zog ihren Rock glatt und klopfte sich ab. »Ja, danke – ach, nein, meine Sachen …«
    Ihre Aktentasche hatte sich geöffnet, ein kalter Wind blies die Papiere die Stufen hinunter und verstreute sie über den abgetretenen Rasen. Während sie ihnen gemeinsam hinterherjagten, fragte sie überrascht, ob er hier zu tun habe, und er erklärte, er habe zwei Kollegen besucht, die am Nachmittag bei einem Autounfall verletzt worden waren.
    Als die Papiere eingesammelt waren, sagte Riley: »Da drüben ist ein Café. Darf ich Sie zu einer Tasse einladen?«
    Auf dem Weg über die Straße sah sie ihn ein paarmal kurz an, um das erinnerte Bild von ihm aufzufrischen. Das schmale Gesicht mit den in ihrem Ebenmaß beinahe strengen Zügen hatte etwas Verhaltenes. Im Licht einer Straßenlampe konnte sie erkennen, dass er müde aussah, um seine Augen lagen Schatten, und sein Mund wirkte angespannt.
    Â»Wie geht es Ihnen, Ellen?«, erkundigte er sich und fügte schnell hinzu: »Gut hoffentlich.«
    Â»Ja, danke, sehr gut.« Erklärend fügte sie hinzu: »Ich arbeite hier am St. Stephen’s.«
    Während Riley im Café zum Tresen ging, begutachtete Ellen den Schaden, den sie bei ihrem Beinahesturz davongetragen hatte. Sie hatte eine Schramme am Knie und, weit ärgerlicher, ein Loch in ihren neuen Strümpfen. So gut es ging, ordnete sie ihre Unterlagen, dann schob sie sie zurück in die Aktenmappe und wischte den Schmutz von ihrer Handtasche. Die Kaffeemaschine zischte und blubberte.
    Ellen sah zu Riley hinüber, der am Tresen stand. Er schien ein Talent dafür zu haben, sie in Situationen zu erwischen, die sie nicht gerade von ihrer besten Seite zeigten – geschockt und mit einem Riesenkratzer im Gesicht, nachdem sie den toten Dr. Redmond gefunden hatte, oder von einem Betrunkenen umgerannt.
    Er brachte den Kaffee zum Tisch und setzte sich. Sie sagte lächelnd: »Mir fehlt nichts, nur mein Stolz ist leicht angeschlagen. Danke für Ihre Hilfe.«
    Er tat ihre Worte mit einer kurzen Handbewegung ab und sah sie mit seinen grünbraunen Augen aufmerksam an. »Dann haben Sie sich also gegen Gildersleve Hall entschieden?«
    Die gute Laune, die das Zusammentreffen mit ihm hervorgerufen hatte, trübte sich. »Umgekehrt«, sagte sie. »Man hat sich gegen mich entschieden.«
    Â»Ach, das tut mir aber leid. Ist das schon länger her?«
    Sie fragte sich, ob er jetzt sein Bild von ihr revidierte, sie als berufliche Versagerin einordnete. »Fast zwei Jahre«, antwortete sie und setzte, um ihm das Nachrechnen zu ersparen, hinzu: »Ein paar Wochen nach Dr. Redmonds Tod. Ich glaube«, erklärte sie, etwas erstaunt darüber, dass seine gute Meinung ihr wichtig war, »Dr. Pharoah war verärgert, weil ich Ihnen von seinem Krach mit Dr. Redmond erzählt habe. Er hat das zwar bestritten, aber ich glaube ihm nicht.«
    Sie merkte, dass sie endlich ohne Scham an das Geschehene denken konnte, und das, dachte sie, war doch immerhin etwas. Sie erzählte Riley von Pharoahs Vortrag an der Royal Institution. »Ich habe ihn hinterher abgepasst und mit ihm gesprochen«, sagte sie. »Er hatte meinem jetzigen Chef im Krankenhaus so negative Dinge über mich geschrieben, dass ich unbedingt den Grund

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