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An Paris hat niemand gedacht

An Paris hat niemand gedacht

Titel: An Paris hat niemand gedacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
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statt der Bohnen?«
    »Ich habe welche für vierzig Cent das Stück. Sie brauchen achtundvierzig. Sagen wir sechzig für alles zusammen?«
    Der Mann mit dem bunten Hemd reicht ihr ein Körbchen, das mit Kaurimuscheln gefüllt ist. Marta greift sich eine Hand voll, das Geräusch ist genau das richtige.
    »Ich nehme es.«
    »Wollen Sie eine Anleitung dazu?«

    »Gerne. Es ist lange her, dass ich gespielt habe, da war ich noch ein kleines Mädchen.«
    »Es gibt verschiedene Versionen, aber die sind alle für Erwachsene.«
    »Ich habe auch immer verloren.«

    Es war an einem Sonntag, und er kam aus Gretas Zimmer. Marta hatte lange in der Küche auf ihn gewartet. »Spielst du mit mir?«
    »Keine Zeit! Ich muss kochen!«
    Mamadou sollte Schnitzel machen. Paniert mit warmem Kartoffelsalat, so wie Richard es morgens beim Frühstück gewünscht hatte.
    »Escalope à la viennoise«, murmelte er vor sich hin, »escalope, escalope, escalope à la vi-en-noise«, ließ den Fleischhammer auf die feuchtroten Stücke fallen, unterlegte die Worte mit Tönen, die bald so schnell rauf- und runterklangen, dass Marta es nicht mehr schaffte, die Muscheln im Takt fallen zu lassen.
    »Singen ist gut, vertreibt die Geister des Zorns und der Angst. Du weißt das. Aber wenn du unter das Bett gekrochen bist und dein Papa laut deinen Namen ruft, dann lieber still sein, ja?«
    Er lachte, als sie sein Schnitzellied allein anstimmte, klatschte in die Hände, drehte sich auf dem Absatz einmal um sich selbst, versuchte dabei den Fleischklopfer zu fassen, kam aus dem Gleichgewicht und landete mit dem Hintern am Kühlschrank.
    »Was macht ihr denn hier?«
    Greta war gut gelaunt an diesem Tag, schaute kurz zu ihr herunter, lächelte.
    »Ist das nicht kalt auf dem nackten Fußboden?«
    Marta schüttelte den Kopf, ließ den Inhalt ihrer rechten Hand langsam in eine der Mulden gleiten.

    »Kommst du zurecht, Mamadou? Wann ungefähr wird das Essen fertig sein?«
    »Dauert nicht mehr lange, Madame, halbe Stunde, soll ich Sie rufen?«
    »Ja, aber keine Eile. Der Monsieur kommt heute doch nicht nach Hause, du brauchst nichts für ihn aufzuheben. Und spar dir die Mühe mit dem Kartoffelsalat, wenn du magst. Wir nehmen einfach Brot dazu.«
    Sie ging, ohne Marta aus der Küche rauszuwerfen, obwohl der Aufenthalt der Kinder dort verboten war, wenn gekocht wurde. Mamadou betrachtete nachdenklich die Teller mit Ei und Paniermehl, griff eines der Fleischstücke mit spitzen Fingern.
    »Jetzt aber raus hier.«
    »Ich darf dableiben!«
    »Wer sagt das?«
    »Die Madame, meine Maman. Sie hat mich gesehen und nicht geschimpft!«
    »Aber ich sage, du gehst. Leg schon mal das Besteck auf den Tisch im Esszimmer.«
    Auf der hellbraunen Handfläche, die sich ihr entgegenstreckte, lagen drei Kauris, um die sich ringartig ein zarter violetter Streifen zog.
    »Hier, für dich, sind ganz besondere, kommen von weit her. Nicht verlieren, ja? Bringt Unglück!«
    Martas Hose lag eine Woche später frisch gebügelt vor dem Schrank, die Muscheln waren verschwunden. Sie hatte vergessen, sie aus der Tasche zu nehmen, als sie ihre Kleider in die Wäschetonne stopfte. Außer Mamadou arbeitete nie jemand im Waschhaus, aber der hätte ihr ihren Schatz sicher zurückgegeben, wenn auch traurig über dessen Nichtachtung. Sie suchte alle Ecken und Geheimverstecke des Hauses ab, durchwühlte
heimlich Sophias Sachen, wagte nicht zu fragen, ob Mamadou vielleicht beim Putzen auf die Kauris gestoßen sei, denn auch das hätte er ihr doch mitgeteilt. Lange fürchtete Marta sich vor den Konsequenzen ihrer Nachlässigkeit und fühlte sich schuldig an manchem Unglück der kommenden Monate.
    Warum hatte Richard ihn nie angeschrien, wie den Nachtwächter, die Ehefrau, die Hunde, die Kinder? Wegen der Kopflänge, um die Mamadou ihn überragte? Oder weil er am Telefon ohne Zögern glaubhaft einen Malariaanfall bezeugte, wenn Monsieur Wördehoff, der angeblich seinerzeit die Heimat verlassen hatte, um die Côte d’Ivoire zur Blüte zu führen, mal wieder nicht auf der Baustelle erscheinen konnte? Litt er tatsächlich an Malaria? Richard lag oft krank im Bett, den Kindern wurde die Ursache nicht genannt. Greta kippte klirrend Glasabfälle in die Blechmülltonnen vor dem Haus und bat die Mädchen, sich leise im Haus zu bewegen, solange es dem Vater schlecht ging. Aus seinem Zimmer und im Bad roch es manchmal komisch. Marta hat nie den wahren Grund erfahren, warum sie nach Deutschland zurückkehrten, obwohl das

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