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An Paris hat niemand gedacht

An Paris hat niemand gedacht

Titel: An Paris hat niemand gedacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
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…«
    Zur Rechnung serviert die Kellnerin einen großzügig ausgeschenkten Calvados für jeden, der in der Kehle brennt und sich warm in der Magengegend ausbreitet.

    »Paul, hast du schon mal versucht herauszufinden, wie sich das Meer im Dunkeln anhört?«
    »Nein. Warum?«
    »Einfach so.«
    »Wir können eine Nachtwanderung zum Strand machen wie zu Pfadfinderzeiten …«
    Wieder klingelt das Telefon.
    »Willst du nicht endlich rangehen?«
    »Später.«
    Sie schlendern zum Hafen, wo kleine Jachten und Fischerboote in der Abendbrise schaukeln. An der kniehohen Natursteinmauer lassen sie die Beine ins Hafenbecken baumeln, verfüttern eines der Lunchpakete an Yannis und werfen den Inhalt der beiden anderen den Möwen hin, die sich einen hektischen Krieg um die Brotstücke liefern. Ein zerzauster Erpel nähert sich zögernd dem weißen Getümmel aus Federn und hackenden Schnäbeln. Marta wirft ihm ein Stück Käse zu, das er erstaunlich virtuos im Flug auffängt. Von einer weiteren Annäherung sieht er allerdings ab, bleibt in gebührendem Abstand stehen und fixiert Marta mit schief gelegtem Kopf. Paul beginnt das Ganze zu fotografieren und springt tänzelnd im Halbkreis um die Vögel. Der Hund zerrt an seiner Leine, versucht sich aus dem Halsband zu winden und bellt in alle Richtungen. Ein Fischer schaut von seinem Boot aus zu ihnen herüber, schüttelt den Kopf und macht sich erneut an seinem Netz zu schaffen. Marta versucht ihm entschuldigend zuzulächeln.
    »Lass uns gehen und zu der kleinen Bucht absteigen, an der wir heute Mittag vorbeigekommen sind.«
    »Könnte riskant sein, es wird dunkel.«
    »Du wolltest doch Pfadfinder spielen. Komm schon!«
    Die letzte Brotkante will sie dem Erpel zuwerfen, der, hart
am Kopf getroffen, die Flucht ergreift. Eine dunkel gezeichnete Möwe schnappt das verschmähte Stück im Sturzflug und schraubt sich kreischend in den Himmel.
    Wir sollten länger hierbleiben, denkt Marta.
    Paul legt ihr den Arm um die Schulter, sie machen sich auf den Weg, während in Martas Rucksack schon wieder die ersten Takte von Moon River tönen.
    »Langsam geht mir dein Klingelton auf die Nerven. Schalt das Ding doch aus, wenn du sowieso nicht rangehst.«
    Im Schein der letzten Straßenlaterne vor dem Aufstieg zum Küstenpfad klappt sie ihr Telefon auf, drückt die Anruferin weg. Sie will das Gerät ausschalten, wiegt es kurz in der Hand und drückt dann doch noch auf einige Tasten.
    Sie haben zwei neue Sprachnachrichten – erste neue Sprachnachricht …
    Marta wendet Paul den Rücken zu, geht mit wenigen Schritten aus dem Lichtschein und bleibt mit hochgezogenen Schultern vor einem Felsbrocken stehen. Paul will sich ihr nähern, weicht dann aber vor Martas Kopfschütteln zurück und wartet etwas abseits.
    Die Nachricht ist längst abgehört, als sie noch immer bewegungslos das Gerät ans Ohr presst, zusieht, wie die Sonnenscheibe die Linie am Horizont erreicht, von der sie als Kind lange annahm, dass sie in diesem Augenblick am anderen Ende der Welt zischend vergehen würde.
    Richard.

    Es war ein warmer, sonniger Tag, wie heute. Er werkelte irgendetwas im Garten, hantierte mit Holzlatten. Wofür braucht man die, außer für Zäune? Ja, es war ein Zaun, an dem er arbeitete, jetzt fällt es ihr wieder ein, der Jägerzaun zum Nachbarn Ringsdorff
hin. Er atmete schwer, wischte sich mit einem Handtuch, das er um den Nacken gelegt hatte, den Schweiß von der Stirn. Eines der Bretter fiel krachend auf den Stapel Holz, der neben ihm lagerte. Er bückte sich, griff ins halbhohe Gras, wo die Flasche stand, fluchte leise vor sich hin, dann lauter, schwankte in den Knien, hielt gerade so stand, richtete sich wieder auf und drehte sich halb in Martas Richtung. Sie hatte versäumt, sich rechtzeitig zurückzuziehen. Jetzt hatte er sie entdeckt. Nicht bewegen! Die Luft durch sich hindurchgehen lassen, ohne dass der Brustkorb sich hob oder senkte, da musste man in Übung sein, durfte keine Sekunde vergessen, daran zu denken, dass man sich nicht rühren sollte. Am besten klappte es, wenn man die Atemzüge zählte und versuchte, sie immer langsamer und flacher werden zu lassen. Als säße ein kleiner Vogel auf der Brust, der nicht erschreckt werden, nicht fortfliegen durfte, weil man sonst auch weg war, aber nicht so, wie es gut gewesen wäre, fort zu sein, sondern wie Schmetterlinge, deren Flügel zu Staub zerfallen, wenn man sie zwischen den Fingern verreibt.
    »Geh, hol mir die große Kneifzange vom Werkzeugbrett!

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