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An Paris hat niemand gedacht

An Paris hat niemand gedacht

Titel: An Paris hat niemand gedacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
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Beeil dich, und trödele nicht wieder rum!«
    Marta rannte los.
    Selbst wenn draußen die Sonne schien und das Licht im Keller eingeschaltet war, beleuchtete die Birne, die von der Decke herunterhing, nicht alle Ecken des Raums. Eine Ansammlung von ausrangierten Möbeln, Gerümpel aller Art, Pappkisten, aufgetürmt zu Gebilden, die wie dunkle Monster über einen herzufallen drohten, wenn man den Raum betrat. Marta hatte Angst vor diesem Keller. Aber sie hatte keine Wahl, musste die große Zange finden, schnell, in den Garten bringen, rasch, das musste sie schaffen! An dem Brett an der Wand hingen Sägen, Schraubenschlüssel, Dinge aus Metall, deren Bezeichnung sie nicht
kannte, ein Vorschlaghammer, aber keine Kneifzange. Wo war sie? Sie brauchte sie! Nicht diesen Hammer, der in der Hand eines Erwachsenen mit zwei Schlägen Nägel ins Holz treiben konnte, der einmal an ihr vorbeigeflogen war, von der Steintreppe in den Garten hinunter. Da hatte er ein kleines Loch hinterlassen, dort, wo er in die Grasnarbe geschlagen war, nachdem es dicht neben Martas Kopf gezischt hatte, ein leichter Windhauch nur, der ihre Haare streifte. Nein, diesen Hammer konnte sie ihm nicht bringen, die Zange musste es sein! Er hatte gesagt, er benötige sie, aber am Werkzeugbrett war sie nicht, obwohl sie doch da sein musste, er hatte es doch gesagt! Marta war zu klein, um auf der Ablage nachzusehen, und durfte auf keinen Fall anfangen zu weinen, denn dann würde sie das Gesuchte nie finden. Und Angst haben oder gar nachfragen, das durfte sie auch nicht, da würde er böse werden, weil sie zu dumm war, etwas so Einfaches zu erledigen, wie eine Zange zu bringen. Sie sollte nicht trödeln, hatte er gesagt. Und heulend im Werkzeugkeller zu stehen, statt behilflich zu sein, das war ausgeschlossen, darüber würde er sehr wütend werden, so viel war sicher!
    Er schrie ihren Namen. Als sie hinauslaufen wollte, erschien er in der Tür, kam näher. Der Versuch, Sophia oder Greta zu rufen, blieb im Hals stecken, sie würden nicht kommen, nicht nach diesem Schrei. Sie roch ihn, bevor er sie erreicht hatte, der Schlag warf sie nach hinten, gegen eine Tischtennisplatte, die man zur Hälfte aufklappen konnte, um alleine zu spielen, wenn sich gerade niemanden fand, der ein Match mitmachen wollte. Sie wiegen nicht schwer, diese Platten, geben nach hinten nach, wenn man gegen sie fällt, und dann kann es leicht passieren, dass man unter den Tisch rutscht, dorthin, wo die Lampe kein Licht mehr hinwirft. Es tat weh, die Kante ins Genick zu bekommen, aber die Fußtritte, die nicht mehr aufhörten, denen man so
schwer ausweichen konnte, ließen diesen ersten Schmerz in Vergessenheit geraten. Er brüllte etwas, das Marta nicht verstand, dann hörte sie nichts mehr, weil ihre Ohren geschlossen waren. Sie konnte sie zuklappen, wie andere Menschen ihre Augen, jedes Geräusch prallte dann ab, keines seiner Worte drang zu ihr durch. Doch selbst wenn sie sich zu einem Knäuel zusammenrollte, trafen sie die Tritte. Eine Lehrerin hatte gesagt, Marta sei für ihre zehn Jahre zu klein, aber das stimmte nicht, viel zu groß war sie, viel zu viel Oberfläche, in die sich das Profil seiner Arbeitsschuhe prägen konnte. Er riss die Platte vor und zurück, versuchte nach ihr zu greifen. Marta konnte nicht schnell genug herumrutschen, weil sie nichts sah, weil ihr Gesicht umschlungen war, von Mädchenarmen, die zu kurz waren, um ganz um sie herum zu reichen, sie einzuwickeln wie ein fest verschnürtes Paket. Keinen Laut! Sie durfte keinen Laut von sich geben und keine Tränen, das war wichtig. Am besten wäre es gewesen zu warten, bis es vorbei ist, bis ihm der Atem ausging, aber es tat so weh, und sie schaffte es nicht, an etwas anderes zu denken, in eine ihrer Geschichten zu verschwinden, weil sie sich wie ein Aal hin und her wenden musste, damit wenigstens ein paar seiner Tritte danebengingen.
    Wenn ich doch den Hammer genommen hätte, dachte sie plötzlich, wenn ich stärker wäre, dann könnte ich ein Loch in seinen Schädel schlagen, so dass er umfällt und in einer Pfütze aus Blut und Knochensplittern liegen bleibt. Das wäre schön. Dann könnte ich den Keller abschließen und den Schlüssel vom Nachbarshund im Garten verbuddeln lassen, wie er es mit seinen Suppenknochen tut. Aber sie hatte den Hammer nicht genommen, zu wenig Kraft gehabt, keinen Mord begangen. Und der Nachbarshund hätte ihren Befehl ohnehin nicht kapiert.

    Als der Vater sie schließlich hervorgezerrt

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