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An Paris hat niemand gedacht

An Paris hat niemand gedacht

Titel: An Paris hat niemand gedacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
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springen.
    »Seit wann hast du eine Katze?«
    »Kater. Er gehört Henk. Ich habe ihn nur zur Pflege, ein gefräßiges, eigensinniges Biest.«
    Greta nähert sich langsam, streckt die Hand aus, krault den Kater hinter den Ohren, der sich das schnurrend gefallen lässt. Als sie wieder zu ihrem Stuhl zurückkehrt, läuft er mit erhobenem Schwanz neben ihr her und installiert sich umgehend auf Gretas Schoß, als wäre dieser Platz von jeher seiner.
    »Schönes Tier. Wie heißt er?«
    »Olivier. Er scheint dich zu mögen.«
    »Ganz meinerseits, Olivier, willst du ein Stück Fleischwurst?«
    »Hast du uns nicht immer verboten, die Hunde vom Tisch zu füttern?«
    »Katzen kann man sowieso nicht erziehen.«
    »Aber ver ziehen schon.«
    Der Kater klärt die Lage mit einem gezielten Hieb, der Greta das Stück Wurst aus der Hand schlägt und einen tiefen Kratzer am Zeigefinger hinterlässt.
    »Ich hab dich gewarnt: er ist ein Monster!«
    »Macht nichts.«
    Greta steckt kurz den Finger in den Mund, wickelt ein Papiertaschentuch um die blutende Kuppe. Olivier rollt sich ungerührt
wieder auf ihren Knien zusammen, nimmt erneut sein lautes Schnurren auf, während Greta ihm mit der anderen Hand über den hellen Rücken streicht. Wohlig streckt er eine seiner dunkel abgesetzten Pfoten aus, reibt seine Schnauze, die eine gleichmäßig ausgeformte schokoladenbraune Maske ziert, an Gretas Bauch. »Ja, du bist ein Schöner!«
    »Er hat dich gerade verletzt!«
    »Ach, der kleine Kratzer. Orientalische Katzen sind eigen. Die meisten von ihnen benehmen sich reichlich verrückt. Aber sie sind die Schönsten, die es gibt, und das dürfen sie gnadenlos ausnutzen. Man kann ihnen nicht böse sein.«
    Sophia verzieht die Mundwinkel und schüttelt den Kopf.
    »Ich hol dir ein Pflaster.«
    Während Sophia in einer Schublade kramt, lässt Greta ihren Blick durch den Raum schweifen, betrachtet an den Kühlschrank gepinnte Postkarten mit den üblichen Sonnenuntergangsszenarien über fernen Meeren, einer nächtliche Ansicht von Los Angeles, »Greetings from Amsterdam«, eine nach bretonischer Felsküste aussehende Landschaft. Darunter sind mehrere Fotos angebracht, die sie gerne näher betrachten würde.
    »Hier. Geht das?« Sophia schiebt sich ins Blickfeld, reicht ein Stück Pflaster mit merkwürdig hölzerner Geste. »Oder soll ich …?«
    »Ich mach das schon, danke.«
    Als Greta den Streifen um ihren Finger klebt, glaubt sie Erleichterung in Sophias Zügen zu entdecken. Was wäre so schlimm daran gewesen, wenn die Tochter ihr den Finger verbunden hätte, fragt sie sich.
    »Kann kein Blut sehen«, murmelt Sophia, als hätte sie ihre Gedanken gelesen, und lächelt verlegen. Greta lächelt zurück, schluckt die Idee einer absurden Entschuldigung rechtzeitig hinunter
und sieht Sophia zu, die sich daranmacht, ihr Frühstück fortzusetzen.
    An der gegenüberliegenden Wand entdeckt Greta eine Maske aus Ebenholz, die ihr bekannt vorkommt. Eine leichte Asymmetrie gibt dem ansonsten friedvollen Gesicht eine Innenspannung, die ebenso verstörend wie faszinierend ist. Die lang gezogene Nase über dem viel zu kleinen Mund, die Augen groß und mit zwei Schlitzen versehen, könnten einen Zustand zwischen Trance und Schlaf andeuten. Vielleicht hätte sie sich mehr mit der Baoulékunst beschäftigen sollen, als noch Gelegenheit dazu war, denkt Greta. Sie hat Jahre in diesem Land verbracht, umgeben von Masken, Statuetten, kunstvoll gewebten Stoffen, Goldgewichten, Elfenbeinschnitzereien, aber nie auch nur den Versuch unternommen, die einfachsten Zeichen zu lesen.
    »Hing die nicht …?«
    Sophia folgt ihrem Blick, nickt und wischt sich einen Marmeladenklecks vom Kinn.
    »Im alten Wohnzimmer, ja. Ich habe sie neulich in Vaters Keller gefunden und mitgehen lassen. Als ich klein war, hat sie mir immer Angst gemacht. Jetzt mag ich sie ganz gerne.«
    »Hast du viel Kontakt zu ihm?«
    Die winzige Bewegung, mit der Sophia ihre Schultern krümmt, die Falten, die sich zwischen ihren Augenbrauen bilden. In Gretas Magen krampft sich etwas zusammen, falsch, denkt sie, wieder falsch, und hält den Atem an.
    »Eher selten, zum Geburtstag, zu Weihnachten, nicht der Rede wert. Wieso interessiert dich das?«
    Greta atmet langsam aus, bemüht sich, möglichst lässig die Serviette zu einem Quadrat zu falten.
    »Einfach so. Hast du ihn in letzter Zeit gesehen?«
    »Kati rief bei mir an, heulte mir die Ohren voll, wie schlecht
es Papa geht, dass sie nicht weiß, was sie mit ihm machen

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