An und für dich
einen Entzug gemacht habe.«
Seine Stimme klang gedämpft. »Ich hätte ihn fast verloren, Saffy. Ich hätte fast alles verloren, was ich hatte.«
Sie hielt ihn, so fest sie konnte, bis er langsam wieder warm wurde und nicht mehr zitterte. Und die ganze Zeit, während sie dalag und ihn im Arm hielt, bohrte sich etwas Kleines, Hartes in ihren Rücken. Es war Liams Actionfigur, die mit dem Schwert, das sogar Steine schmelzen konnte.
26
»… Beine.«
Conor konnte nicht glauben, dass diese fünf Buchstaben das letzte Wort in seinem Buch bildeten.
Es gab nichts mehr zu schreiben. Die Reise seiner Hauptfigur Dan, der von seiner Frau Lucy verlassen worden war und deshalb die beiden sechsjährigen Zwillinge allein großziehen musste, war zu Ende.
Früher war er ein abgebrühter, äußerst erfolgreicher Journalist gewesen, der seine Kinder kaum sah. Heute war er ein nicht mehr ganz so gut bezahlter Halbtagsjournalist und Vollzeitvater. Auf dem Weg dahin hatte er seine Tochter mit Verdacht auf Hirnhautentzündung ins Krankenhaus gebracht, einen Traumjob in New York abgelehnt, seinen Sohn vom Bettnässen geheilt und ganz allein eine Piñata in Form eines Osterhasen gebastelt.
Er hatte sich damit herumgeschlagen, Arbeit und Familienleben unter einen Hut zu kriegen.
Er hatte in der Zwischenzeit drei Frauen geküsst und mit einer geschlafen, aber er wurde das Gefühl nicht los, dass ihm Lucy für den Rest seines Lebens fehlen würde. Im letzten Absatz gab es einen kleinen Hinweis, dass er damit vielleicht falschlag. Er wartete vor der Schule auf seine Kinder und sah ein paar Meter entfernt eine Frau stehen.
Dunkle Haare, blasse Haut, nackte Arme. Sie trägt ein blaues Sommerkleid und Flipflops.
Brünette sind nicht Dans Typ. Er stand schon immer auf Blondinen, und wo auch immer sie gerade ist, egal, mit wem sie zusammen ist, Lucy bleibt die Schönste von allen. Er entdeckt Robin und Rose, die die Treppe hinunter auf ihn zugelaufen kommen. Trotzdem muss er sich noch einmal nach der dunkelhaarigen Frau umdrehen.
Sie bemerkt, dass er sie ansieht, und sie schlägt schnell die Augen nieder. Sein Blick wandert an ihren Armen hinunter, ihre schmalen Hüften und die Kurven ihrer Taille entlang bis hinunter zum Saum ihres Kleides. Was für fantastische Beine.
Das konnte es doch nicht gewesen sein. Vielleicht hätte er Dans Augen auf etwas anderem verweilen lassen sollen, aber er würde sein Buch sicher nicht mit dem Wort Brüste enden lassen.
Eine kaputte Espressomaschine lag in ihre Einzelteile zerlegt auf dem Sofa. Die Drähte von Gregs Playstation schlängelten sich über den Fußboden. Die ganze Wohnung roch dumpf und schimmelig, wie das Zimmer eines Teenagers. Conor schob die versteckte Tür im weiß lackierten Bücherregal auf. Man sah auf den ersten Blick, welche Bücher Saffy gehörten und welche Greg.
Das letzte Wort in Wir müssen über Kevin reden war »sauber«. Wie Frauen fischen und jagen schloss mit »paaren«. Aller Reichtum dieser Welt mit »Dwyer«. Sogar Heiße Chicks – 20 Jahre Centerfolds schloss mit »Traum«.
All diese Wörter klangen besser als »Beine«, fand Conor, aber er ließ es trotzdem so. Wenn er jetzt nachgab, würde er am Ende noch einmal alles auseinandernehmen und überdenken. Bevor er seine Meinung ändern konnte, ging er schnell wieder zurück ins Arbeitszimmer.
Liebe Becky,
anbei das komplette Manuskript von ›Alles auf eine Karte‹. Darin sind die zweihundert Seiten, die ich Ihnen bereits zugeschickt habe, und die letzten einhundert (einhundertzwölfeinhalb Seiten, um genau zu sein). Und das zwei Tage vor Ablauf der Deadline, was mich selbst überrascht; Sie sicher auch.
Ich hoffe, dass Sie etwas damit anfangen können.
Ansonsten habe ich leider eine traurige Nachricht. Brendan ist, wie meine Tochter Lizzie es ausdrückt, nach Irdischen gegangen.
Ich hoffe eher, dass er als blinder Passagier in einem Flugzeug an einen fernen Ort mitgeflogen ist und jetzt dort lebt. Hoffentlich jedoch nicht nach Südamerika, wo die Gefahr besteht, dass er bei jemandem auf dem Teller landet.
Viele liebe Grüße
Conor Fahey
Er klickte auf Absenden. Er hatte es geschafft. Er hatte einen Roman geschrieben. Natürlich war es nur ein Entwurf, und vielleicht gefiel er Becky überhaupt nicht. Trotzdem eine Leistung, und er hatte niemanden, mit dem er diesen Moment feiern konnte, außer einer schmuddeligen Möwe, die an einem Pizzakarton herumpickte, den Greg auf dem Balkon liegen gelassen
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