An und für dich
nicht vor und nicht zurück geht, und er mich jederzeit für eine andere verlassen kann.«
»Warum sollte er dich denn verlassen? Er liebt dich, das weißt du doch.«
»Wenn er mich lieben würde, wäre er letzte Nacht nach Hause gekommen.« Saffys Stimme war rau. »Er hätte angerufen und mir gesagt, wo er ist. Stattdessen hängt er bei euch rum und guckt Kinderfilme, während ich ihn schon auf der Intensivstation liegen sehe. Warum macht er das? Was stimmt denn nicht mit ihm?«
Wo sollte Jess anfangen? Greg war selbstverliebt und eitel. Er ließ sich die Brustbehaarung mit Wachs entfernen, benutzte Feuchtigkeitscreme und Haarserum und sagte Sachen wie »chill mal«. Und trotzdem war sie anscheinend die einzige Frau in ganz Irland, die ihm nicht verfallen war.
»Ich glaube, ich habe ihn gefragt, ob er mich heiraten will.« Saffy vergrub das Gesicht in den Händen. »Und ich glaube, er hat Nein gesagt. Also, genau genommen hat er gesagt: ›Nein, ich habe keine Lust auf solche Spielchen.‹ Meinst du, das bedeutet wirklich Nein?«
»Ich glaube, das ist alles ein Missverständnis«, antwortete Jess. »Ganz bestimmt.«
»Aber du hast Gregs Gesicht nicht gesehen. Als ich ihn gefragt habe. Er war total entsetzt.«
Jess würde Gregs Gesicht jetzt gern sehen, um ihm ordentlich eine zu scheuern. An welche höhere Macht (außer sich selbst) er auch immer glaubte, Greg müsste ihr auf Knien danken, dass eine Frau wie Saffy sich überhaupt für ihn interessierte.
»Er war wahrscheinlich nur überrascht«, sagte Jess diplomatisch.
»Nach sechs Jahren? Im Ernst, Jess. Sechs Jahre.«
»Conor und ich sind seit acht Jahren zusammen. Trotzdem kriege ich jedes Mal einen Herzinfarkt, wenn er auf das Thema zu sprechen kommt. Manche Leute haben ja ein generelles Problem damit.«
Saffy hätte sich denken können, dass es keinen Sinn hatte, mit Jess darüber zu reden. Sie war die Letzte, die das verstehen würde. Conor wurde nicht ständig von anderen Frauen umschwärmt. Sie musste sich nicht darauf einstellen, demnächst mit Kate Beckinsale oder Natalie Portman zu konkurrieren. Und selbst wenn, gegen die würde sie ja locker ankommen. Wenn man so schön war wie Jess, hatte man ja keinen Anlass zu Selbstzweifeln.
»Weißt du«, sagte sie gerade, »man kann durchaus den Rest seines Lebens mit jemandem verbringen wollen , ohne dafür einen Vertrag unterschreiben zu müssen.«
»Aber warum sollte ich den Rest meines Lebens mit jemandem verbringen wollen, der mich jederzeit verlassen kann?«
»Hast du schon mal überlegt, dass es vielleicht nicht um dich und Greg geht?«, fragte Jess vorsichtig. »Vielleicht geht es ja um deine Eltern. Vielleicht denkst du, es hätte alles anders laufen können, wenn sie verheiratet gewesen wären. Aber das wirst du nie wissen. Wenn dein Dad nicht bei euch bleiben wollte, wollte er eben nicht bei euch bleiben. Eine Ehe hätte daran auch nichts geändert.«
Ihr Dad . Leute, die einen Dad hatten, benutzten immer dieses Wort, wenn sie mit Saffy sprachen. Sie verstanden nicht, dass man nicht mit einem Dad geboren wurde. Man wurde mit einem Vater geboren. Der wurde dann erst im Laufe von Millionen kleiner Momente ein Dad. Wenn er einem Gutenachtgeschichten erzählte. Wenn er einem im Auto Lieder vorsang. Wenn er einem die Schwimmflügel aufpustete. Das Geld, das einem die Zahnfee unter das Kissen legte. Die Fotos, die er im Portemonnaie mit sich herumtrug.
»Na ja, offensichtlich macht es eben doch einen Unterschied.« Saffy schloss die Augen, um Jess nicht ansehen zu müssen. »Als mein Vater uns verlassen hat, ist er ja zu seiner Frau zurückgegangen.«
Luke erschien in der Tür und rollte mit seinen Heelys ans Bett. »Guckt mal, eine Ester.« Er zeigte auf eine Elster, die auf dem Balkongeländer vor dem Fenster saß. »Kann ich ihr was von meinen Chips abgeben?« Jess legte den Finger auf die Lippen und schüttelte den Kopf.
Er sah sie ernst aus seinen großen blauen Augen an. Sie fand, er sah aus wie ein Engel. Warum konnte Saffy nicht begreifen, dass nur das zählte?
In einem weißen Baiser-Kleid in einer Kirche oder im Standesamt zu stehen und irgendeinen bürokratischen Quatsch nachzuplappern, das bedeutete alles überhaupt nichts. Zusammen Kinder haben zu wollen, sie zusammen großziehen zu wollen, das war Liebe. Darum ging es.
»Schläft sie?«, flüsterte Luke und beugte sich vor, um Saffys Gesicht sehen zu können. »Kann ich ihr was von meinen Chips abgeben?«
»Nein, ich schlafe
Weitere Kostenlose Bücher