An und für dich
ihm gut?«
»Ja, ihm geht’s gut.« Conor bekam fast einen Krampf im Bein, weil er immer noch in der Hocke saß. Mit der freien Hand versuchte er, das Kabel zu entwirren. »Also, so gut es einem eben geht, wenn man zwei Folgen ›He-Man und die Masters of the Universe‹ geguckt hat.«
»Zwei Folgen was?«
»He-Man. Prinz von Eternia, Hüter der Geheimnisse von Schloss Grayskull. Du weißt schon, die Zeichentrickserie.« Zu spät fiel Conor auf, dass das wohl zu viele Informationen auf einmal waren.
»Er … er guckt Trickfilme?« Saffy hatte gedacht, Greg wäre überfallen oder niedergestochen oder nach einem Unfall mit Fahrerflucht sterbend liegen gelassen worden, oder er säße in einem dunklen Zimmer und würde noch mal über alles nachdenken. Es wäre ihr nicht im Traum eingefallen, er könnte vor dem Fernseher sitzen und Kinderserien schauen.
Sie hatte gedacht, sie wäre zu dehydriert, um weinen zu können, aber da hatte sie sich geirrt. Wie konnte er nur so herzlos sein? Er hätte doch wissen müssen, dass sie sich wahnsinnige Sorgen machte.
»Ist doch alles in Ordnung«, sagte Conor hilflos. Er war nicht gut in solchen Sachen. Normalerweise machte Jess so was. »Schhhh. Wirklich, ist doch alles okay.«
Greg kam in den Flur. »Mann«, sagte er, »diese Zauberin ist echt heiß. Hast du diese superknappen Shorts gesehen? Als ich klein war, gab es solche Figuren nicht.«
»Saffy ist dran«, flüsterte Conor.
»Ist sie immer noch …« Greg machte mit dem Zeigefinger eine schnelle Kreisbewegung neben seinem Ohr.
»Greg will dich sprechen«, sagte Conor und zerrte am Kabel, um den Hörer rüberzureichen. »Ich geb ihn dir mal.«
»Nein!«, rief Saffy. »Ich will nicht mit ihm reden. Ich will auch nicht, dass er nach Hause kommt. Kannst du ihm das sagen, wenn er gerade mal nicht mit Fernsehen beschäftigt ist, ja? Und kannst du Jess bitten, herzukommen? Bitte. Danke, Conor.«
Sie legte auf.
Greg griff nach dem Hörer. »Ihr seid bestimmt die einzigen Menschen auf der ganzen Welt, die immer noch kein schnurloses Telefon haben.«
In Saffys und Gregs Wohnung war alles weiß oder teuer oder zerbrechlich. Oder alles auf einmal. Jess wurde es ganz anders beim Gedanken daran, wie viel Schaden Luke hier anrichten konnte. Aber nachdem Greg seinen letzten Kinderjoghurt weggegessen hatte, war er an die Decke gegangen, und sie hatte keine Zeit mehr gehabt, ihn zu beruhigen, also hatte sie ihn kurzerhand in den Kindersitz ihres Fahrrads gesetzt und gehofft, Saffy würde Verständnis haben. Sie fuhr die Küstenstraße entlang, in den Regen hinein, der direkt von vorn kam. Wahrscheinlich würde sie kein Verständnis haben. Hatten Kinderlose nie.
Mittlerweile konnte sie beim Gedanken an das Picknick lachen, das Saffy und Greg für Lukes und Lizzies zweiten Geburtstag organisiert hatten. Damals hatte sie allerdings nichts Komisches daran finden können. Außer man fand es komisch, zwei schwere Kleinkinder und den weltgrößten Picknickkorb den fast senkrecht ansteigenden Weg zur Spitze von Howth Head hinaufzubefördern.
In dem Picknickkorb befanden sich zwei Flaschen Champagner, ein paar Gläser Entenkonfit, mehrere stark riechende Sorten Käse und eine Packung Schokoladentrüffel. Für die Kinder war nichts zu essen oder zu trinken dabei. Nicht einmal Wasser . Zum Glück hatten sie einen Beutel Eiswürfel dabeigehabt, die gerade anfingen zu schmelzen, und Jess hatte noch eine alte Packung Tuc in ihrer Handtasche gefunden.
Sie hatte immer noch sehr genau Saffys Gesichtsausdruck vor Augen, als Lizzie den Sektkühler als Töpfchen benutzen musste. Und wie fassungslos sie gewesen war, als Jess das Angebot abgelehnt hatte, ihr Backstage-Pässe für ein Madonna-Konzert zu besorgen. »Du verpasst wirklich die Chance, die berühmteste Frau der Welt zu treffen, und bleibst stattdessen lieber zu Hause, um Brei zu kochen und Windeln zu wechseln?«
»Die berühmteste Frau der Welt ist ja wohl immer noch Mutter Teresa«, hatte Jess geantwortet. »Und ich kann ja mal mit den Zwillingen reden. Kleinkinder sind manchmal echt egoistisch, dabei könnten sie sich die Windeln wirklich auch mal selbst wechseln.« Es war schon ein kleines Wunder, dass Saffy und Jess überhaupt befreundet waren, und ohne Conor und Greg wäre es wohl nie dazu gekommen. Aber Jess war sehr froh darüber. Während ihrer Schulzeit und auch im Studium hatte sie nie eine beste Freundin gehabt. Aus irgendeinem Grund waren Mädchen in ihrer Gegenwart immer
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