An und für dich
ohne Beine hat man auch keine Keulen.«
»Was ist denn eine Velouté?«, stöhnte Jess.
»Entschuldige, Greg«, sagte Saffy leise, »ich weiß, ich habe gesagt, ich mische mich nicht ein. Aber es gibt auf keinen Fall Meeresfrüchte.« Das Wort ›Auster‹ erinnerte sie an den Abend mit Doug. Und der war das Letzte, woran sie an ihrem Hochzeitstag denken wollte.
Conor und Jess folgten Saffy und Greg hinaus zum Parkplatz. »Mein Gott!« Jess schüttelte den Kopf. »Ich dachte echt, diese komische Geschäftsführerin steckt Greg gleich die Zunge in den Hals. Hast du gesehen, wie sie mit dem Arsch gewackelt hat?«
Conor nahm ihre Hand. »Hm. Es ist aber wirklich schön hier, findest du nicht?«
Jess betrachtete das Haus. »Ja, schon. Aber wozu brauchen sie das?«
»Ist nun mal ihr großer Tag«, antwortete Conor.
Jess zog ihre Hand weg. »Es gibt keine großen Tage, Conor. Kriege sind groß. Die Verschuldung der Dritten Welt ist groß. Das einzig Große an so einer Hochzeit ist die Rechnung.«
»Ja, okay. Ich finde es trotzdem nett, das ist alles.«
»Du findest es nett?«, fragte sie mit einem sarkastischen Unterton. » Nett ? Du findest es nett , mitten in einer Wirtschaftskrise Unsummen für eine Hochzeit auszugeben? Du findest es nett, wie unsere Konsumgesellschaft aus Liebe und Hingabe eine Millionenindustrie gemacht hat, die nur auf den nächsten Dummen wartet?«
Conor schob die Hände in die Hosentaschen. »Na, bei dir haben sie ja zum Glück keine Chance. Von uns beiden will nur einer heiraten, also bin ich dann wohl der Dumme. Oder?«
Sie wandte sich blitzschnell ab, als hätte er ihr eine Ohrfeige verpasst. Schweißtropfen sammelten sich in seinem Nacken. Was war denn das gerade? War er völlig durchgedreht?
»Oh Mann, Jess! Es tut mir leid!« Er umarmte sie, zog sie an sich und küsste sie auf den Kopf. »Ich weiß auch nicht, was das jetzt sollte. Ich bin eine Velouté aus Meeresfrüchten.«
Saffy eilte gerade die Treppe hinauf zum Abstimmungsmeeting, als ihr Handy klingelte.
»Ja – autsch!« Ständig blieb sie mit dem Ring in ihren Haaren hängen, gestern hatte sie ihn sogar mit Klebeband am Finger fixieren müssen, um überhaupt tippen zu können.
Es war Greg. »Süße, ich habe mir noch mal die Fotos in der Indo angesehen, und ich finde, mein Auge sieht wirklich komisch aus.«
Die Visagistin war zum letzten Interview ( Oh bitte , dachte Saffy, lass es wirklich das letzte gewesen sein ) über ihre Verlobung nicht aufgetaucht. Saffy hatte sich alle Mühe gegeben, die Rötung um Gregs Auge mit Concealer zu verdecken, aber er hatte recht, es sah immer noch ein bisschen verquollen aus.
»Du siehst super aus. Hier haben mir gerade alle gesagt, wie gut du aussiehst.«
Niemand hatte das gesagt. Alle waren an ihr vorbeigestürmt, um noch einen Himbeermuffin von Queen of Tarts abzubekommen. Es gab nie genug für alle, und auch nie genug Kaffeetassen. Das war ein Trick von Marsh, damit sie pünktlich zum wöchentlichen Abstimmungsmeeting kamen. Wer zu spät kam, musste zugucken, wie sich alle anderen an den Muffins gütlich taten.
»Wirklich?», fragte Greg. »Wer denn zum Beispiel?«
»Na, zum Beispiel Vicky und Ciara«, log Saffy, »und …« Sie sah, dass Ant gerade gehen wollte, was eine Katastrophe war. Sie brauchte ihn in diesem Meeting. »Ant!«, zischte sie. Er drehte sich nicht einmal um.
»Ant hat gesagt, ich sehe super aus?« Greg klang nicht überzeugt.
»Na ja, vielleicht nicht wörtlich, aber …«
»Was hat er denn gesagt? Der Typ ist komisch, aber er ist immerhin Art Director, da ist mir seine Meinung schon wichtig.«
Marsh gestikulierte hinter der Glastür vom Meetingraum, dass sie endlich auflegen sollte. Sie war fast ausgerastet, als Saffy für die Hochzeit und die Flitterwochen um Urlaub gebeten hatte. Saffy musste ihr versprechen, die achtzig Stunden, die sie fehlen würde, vorher zu arbeiten.
»Ähm … er hat zu Vicky gesagt, die es mir dann erzählt hat, dass du aussiehst wie …« Sie versuchte sich in Ants kleinen Glatzkopf hineinzuversetzen. »… wie eine fotogeshopte Medienhure.«
»Aber die Bilder sind ja nicht mal gephotoshopt.« Greg klang geschmeichelt.
»Eben«, sagte Saffy. »Das habe ich ihm auch gesagt. Ich muss auflegen. Ich liebe dich!«
Die Wochen verflogen in einem Tempo, das Saffy Sorgen gemacht hätte, wenn sie die Chance gehabt hätte, mal kurz irgendetwas anderes zu tun, als erschöpft zu sein. Sie konnte kaum glauben, dass es schon Anfang
Weitere Kostenlose Bücher