An und für dich
war nun wirklich zu grauenvoll.
Conor stellte den Wecker aus und lag mit geschlossenen Augen da. Er genoss das Gefühl von Jess’ warmem weichen Bein eng an seinem. Er atmete ihren süßen Schlafduft ein. Schließlich zwang er sich zum Aufstehen und hielt sich mit den Fingern die Augen auf.
Er hatte einen Ständer. Kein guter Zeitpunkt. Er hatte bis morgens um eins an seinem provisorischen Schreibtisch gesessen, und Jess hatte schon geschlafen, als er endlich ins Bett gekommen war. Jetzt hätte er alles dafür gegeben, sie zu wecken und zärtlich-verschlafenen Sex mit ihr zu haben.
Aber darum ging es ja gerade: Wenn er das hier durchstand, einfach weitermachte, wenn er das Buch zu Ende bekam und es an Becky Kemp schicken konnte – dann bestand vielleicht, vielleicht endlich die Möglichkeit, dass es verlegt würde und er eines Tages seinen Job als Lehrer aufgeben und seinen Lebensunterhalt als Schriftsteller verdienen könnte. Er würde sich nicht morgens um fünf aus dem Bett quälen müssen. Er hätte die Zeit und die Energie, jeden Morgen mit Jess zu schlafen, wenn er wollte. Und das würde er.
Er setzte sich auf den wackeligen Drehstuhl, trank einen Schluck heißen Kaffee und versuchte, sein Gehirn zum Loslegen zu bringen. Jetzt, da jemand Interesse an seinem Buch hatte, noch dazu eine angesehene Agentur wie Douglas, Kemp and Troy, hätte es ihm doch leichter fallen müssen. Tat es aber nicht.
Er hatte das Gefühl, als würde ihm Becky Kemp die ganze Zeit über die Schulter sehen. Er hatte sich ihr Schwarz-Weiß-Foto auf der Homepage der Agentur angesehen. Eine ernsthafte, adrette Dame in den Dreißigern mit langen Haaren und Brille. Er wünschte, er hätte sich das Bild nie angesehen. Nun sah er jeden seiner Sätze durch ihre kühlen, kritischen Augen und kam nicht mehr voran.
Dummerweise hatte er ihrer Assistentin Juniper zugesagt, die nächsten einhundert Seiten von »Alles auf eine Karte« bis zur dritten Maiwoche fertig zu haben. Es war schon fast Mitte April, und er hinkte sehr hinterher. Er hatte die Anzahl der Stunden, die er am Buch arbeitete, verdoppelt und dann verdreifacht. Es schien keinen Unterschied zu machen.
In der Schule war er unkonzentriert, und das merkten seine Schüler natürlich und tanzten ihm auf der Nase herum. Während er gestern damit beschäftigt gewesen war, ein Gedicht von e. e. cummings an die Tafel zu schreiben, hatte ihm ein Schüler einen Penis auf die Tasche gemalt. Es hatte keinen Sinn, es dem Direktor zu melden – es war schließlich sein Job, für Disziplin in der Klasse zu sorgen. Er wäre derjenige gewesen, der Ärger bekommen hätte.
Und dann das mit Greg. Er wünschte wirklich, er wäre mit ihm kein Bier trinken gegangen, nachdem sie ihre Anzüge zum Ändern abgegeben hatten. Dann hätte er nicht die geschmacklosen MMS dieser Visagistin gesehen und wüsste nicht, dass Greg mit ihr geschlafen hatte.
Was sollte er mit dieser Information anfangen? Saffy war seine Freundin. Er fand, sie hatte ein Recht, davon zu erfahren. Aber Greg war ebenfalls sein Freund, und er hatte ihm versprochen, es niemandem zu erzählen. Schon gar nicht Jess.
Das erleichterte ihn ehrlich gesagt. Sie war in letzter Zeit ziemlich genervt, und er konnte sie gut verstehen. Sie konnte es nicht leiden, wenn er schon so frühmorgens und bis spät in die Nacht hinein arbeitete. Und sie hatte es ihm noch nicht verziehen, dass er am siebten Geburtstag der Zwillinge im Kino eingeschlafen war, obwohl Luke und Lizzie es sensationell fanden. Sie hatten ihn den ganzen Geburtstagskaffee über mit Schnarchgeräuschen aufgezogen, und er hatte mitgespielt und immer wieder so getan, als schliefe er ein. Sie fanden es lustig, aber Jess verzog keine Miene. Er ertrug es kaum, sie so unglücklich zu machen, aber andererseits spornte es ihn auch noch mehr an, sein Bestes zu geben. Wenn das Buch veröffentlicht würde, wenn es wirklich in die Läden kommen sollte, dann würde sie wissen, dass es das wert gewesen war. Vielleicht wäre sie sogar stolz auf ihn.
Dermot der Nervöse machte seinem Spitznamen alle Ehre. Bis jetzt hatte er schon sechs von Ants und Vickys Vorschlägen für die TV – Spots abgelehnt. Saffys Posteingang quoll über von Mecker-Mails von Marsh, und es fiel ihr schwer, Ants Poster nicht auf sich zu beziehen.
Kein Wunder, bei Sprüchen wie: Die Antwort ist: Es ist deine Schuld. Und was war noch mal die Frage? Oder: Wie soll ich dich vermissen, wenn du nie weggehst?
Selbst Vicky, die
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