An und für dich
»Engel«-Spot in die Marktforschung zu geben. Den Kunden würde es sicher gefallen, und Marsh wäre glücklich, weil er noch mal zehntausend Euro für Fokusgruppen bereitgestellt hatte.
Die schlechte Nachricht war, dass es zwei Stunden gedauert hatte. Noch dazu hatte Marsh ihr danach eine SMS geschickt, sie solle um drei Uhr am Avondale-Meeting teilnehmen. Was bedeutete, dass sie noch genau anderthalb Stunden Zeit hatte für das Hochzeitskleid.
»Tut mir leid, dass ich zu spät bin.« Sie küsste Jess. »Du siehst toll aus. Schönes Kleid. Ist das Champagner?« Sie goss sich ein Glas ein. »Ist meine Mutter schon aufgetaucht?«
Jess ignorierte den unfreundlichen Blick, den ihr eine Verkäuferin in einer babyrosa Uniform zuwarf, und hielt Saffy ihr Glas hin. Sie brauchte einfach noch einen Drink nach dem, was gerade passiert war. »Sieht aus, als würde sie gar nicht kommen.«
Saffy schaltete ihr Handy ein. »Ich verstehe das nicht, Jess. Ich habe wirklich versucht, sie mit einzubeziehen, aber sie will gar nicht. Sie ist nicht mit nach Woodglen gekommen. Letztes Wochenende haben wir sie und Len zum Mittagessen eingeladen, und sie hat einen Tag vorher abgesagt. Und jetzt guck mal hier!«
Sie hielt ihr Handy so, dass Jess die SMS lesen konnte. »Sorry, kann doch nicht kommen. Hab zu tun. Viel Erfolg mit dem Kleid!«
Saffy schüttelte fassungslos den Kopf. »Also echt! Das ist doch nicht normal. Seit unserer Verlobung haben wir uns genau einmal getroffen. Was hat sie denn bloß?«
»Darüber habe ich auch schon nachgedacht.« Jess fischte eine Feder aus ihrem Glas. »Vielleicht hat sie mit der ganzen Hochzeit so ihre Schwierigkeiten.«
»Ach, komm. Sie hat das doch immer gewollt!«
»Ich weiß, aber Greg lädt bestimmt einen Haufen Gleesons ein, und Jill hat seit deiner Geburt überhaupt keinen Kontakt mehr zu ihrer Familie. Es wären also nur sie und Len. Darüber hat sie vorher bestimmt nicht nachgedacht.«
Jess hatte recht. Ihre Mutter hatte ihr eine Liste mit einem halben Dutzend Leute geschickt, die sie zur Hochzeit einladen wollte, aber darunter war niemand aus ihrer Familie gewesen. Seitdem sie nach Dublin gezogen war, hatte Jill weder ihre Eltern noch ihren Bruder wiedergesehen. Saffy war es so sehr gewöhnt, dass ihre Familie eben nur aus ihnen beiden bestand, dass es ihr schon lange nicht mehr seltsam vorkam. Das war es aber.
»Und vielleicht ist es auch, dass du jetzt heiratest und sie selbst das nie getan hat. Warum eigentlich nicht? Sie ist doch noch jung, und es muss doch auch genug Anwärter gegeben haben, oder?«
Saffy setzte sich neben Jess auf das unbequeme Sofa. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal in Ruhe dagesessen und mit jemandem ein richtiges Gespräch geführt hatte. Fühlte sich gut an. Sie beugte sich vor und griff nach der Champagnerflasche. »Weiß ich nicht, habe ich mich aber auch schon gefragt …«
Auf einmal stand eine Verkäuferin vor ihnen und schob den Sektkühler außer Reichweite. »Welche von Ihnen ist Sally Martin?«, fragte sie bestimmt.
Amanda Wakely. Vera Wang. Maria Grachvogel. Sie hätten allesamt in ihre Spitzentaschenücher geweint, wenn sie Saffy in ihren Kleidern gesehen hätten. Sie sah in jedem einzelnen aus wie ein zermatschtes Stück Sahnetorte. Ihre Haare luden sich durch das viele An- und Ausziehen elektrisch auf, und sie blieb dauernd mit ihrem Ring an den empfindlichen Tüllkleidern hängen.
»Nimm du den mal so lange.« Sie gab Jess ihren Ring. »Sonst muss ich noch den Schaden zahlen.« Dann schlüpfte sie wieder in die Kabine.
Jess steckte sich den Ring an. Er war wirklich furchtbar hässlich. Sah aus wie etwas aus einem Knallbonbon. Und hatte wahrscheinlich ein Vermögen gekostet.
Saffy reichte ihr ein Kleid aus der Umkleidekabine. »Das probiere ich gar nicht erst an. Ich gebe doch nicht fünftausend Euro für ein Kleid aus. Das wäre sogar Greg zu teuer.«
Fünftausend ? Jess hätte das Kleid am liebsten nicht mal angefasst. Sie legte es schnell über einen Stuhl und stellte dem Vorhang zwischen ihnen endlich die Frage, die sie sich nicht getraut hatte, Saffy direkt zu stellen. »Wie viel kostet die Hochzeit eigentlich?«
»Weiß ich noch nicht genau. Ich habe erst mal einen Kredit über zwanzigtausend aufgenommen und Greg verkauft sein Auto für etwas über dreißigtausend. Davon wird nicht viel übrig bleiben, glaube ich. Aber es ist ja auch eine Investition in Gregs Zukunft. Im Showbusiness muss man so eine große
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