An und für dich
Kill Bill gucken. Und mit einer Macht, die Uma Thurman aussehen ließ wie die verdammte Mary Poppins, war plötzlich dieser Kater über ihn hereingebrochen.
Er hatte die ganze Nacht über dem Klo gehangen. Er konnte nicht glauben, dass überhaupt noch etwas in ihm war, aber vor ein paar Minuten hatte er auf der Herrentoilette im O’Brien’s eine völlig intakte, unverdaute Nudel in einer Pfütze neongelber Galle von sich gegeben. Nudeln hatte er das letzte Mal vor zwei Tagen gegessen.
Er nahm ein Stück Toast. Wenn er nur irgendetwas bei sich behalten würde, würde es ihm schon besser gehen. Er musste nur die nächsten paar Stunden durchhalten, die Hochzeit überstehen, Saffy den Ring anstecken, und dann konnte er …
»Scheiße!« Er legte den Toast auf seinen Teller und klopfte seine Taschen ab. »Wir müssen noch mal zurück in die Wohnung.«
»Wie bitte?« Conor starrte ihn an. War er verrückt geworden?
»Die Ringe, Mann. Ich hab die Eheringe vergessen. Die sind in einem blauen Kästchen in der Innentasche von meinem schwarzen Samtjackett. Dauert nur eine Minute.«
Es dauerte fünfundzwanzig. Conor durchsuchte die Taschen sämtlicher Jacketts im Schrank, durchwühlte die Schubladen, kroch unters Bett und tastete unter dem Sofa umher.
Derek polierte gerade die Kühlerhaube des Jaguars mit einem Kosmetiktuch, als Conor wiederkam. Er schüttelte traurig den Kopf und zeigte auf die Uhr. »Sehen Sie mal«, sagte er. » Das passiert, wenn man eine Hochzeit auf Freitag, den 13. legt.«
Greg lag in Embryonalstellung auf dem Rücksitz und hatte eine feuchte Serviette auf der Stirn.
Conor setzte sich neben ihn. »Ich hab sie nicht gefunden.«
Greg stöhnte.
»Pass auf, das ist jetzt auch egal. Wir leihen uns einfach welche in der Kirche.«
»Nein! Jetzt erinnere ich mich. Ich glaube, ich weiß, wo sie sind.« Eben gerade hatte die Erinnerung ihn getroffen wie ein Blitzschlag. Er hatte seine Jacke ausgezogen und sie auf den Boden fallen lassen – in Tanyas Wohnung. Die Ringe, handgraviertes Tiffany-Platin im Wert von zehntausend Euro, lagen irgendwo in ihrem Zimmer herum. Und er musste sie wiederbekommen.
Greg diktierte Conor eine SMS an Tanya, in der er sie nach ihrer Adresse fragte und sagte, dass er auf einen Sprung vorbeikommen wollte. Sie saßen stumm nebeneinander. Nach ein paar Minuten kam die Antwort.
»Seit dreißig Jahren«, murmelte Derek böse und überfuhr vor dem Trinity College eine rote Ampel. »Seit dreißig Jahren fahre ich Leute zu Hochzeiten, und noch nie bin ich zu spät gekommen.«
Greg schloss die Augen und lehnte sich an Conor, der sich an die Kopfstütze lehnte, als sie die Quays entlangrasten, an der Kreuzung High Street mit quietschenden Reifen links abbogen und etwa doppelt so schnell, wie es die Geschwindigkeitsbegrenzung erlaubte, in Richtung Liberties fuhren.
Der Jaguar hielt mit dem Vorderrad auf dem Bordstein vor einem Reihenhaus aus roten Backsteinen. Ein paar Jugendliche in Kapuzenjacken lungerten an der Ecke herum. »Hey, das ist Mac!«, rief einer von ihnen. »Du bist doch längst tot!«
Statt Tanya öffnete ein kräftiger Mann Mitte fünfzig in Jeans und Unterhemd die Tür.
»Entschuldigung, ich wollte eigentlich zu Tanya«, sagte Greg nervös. »Ich bin …«
»Ich weiß verdammt gut, wer du bist«, sagte der Mann. »Ich bin Tanyas Vater.«
Das enge Wohnzimmer war voller Leute. Tanya saß auf dem Sofa. Sie trug einen Hello-Kitty-Schlafanzug, der perfekt zu ihrem lila Pony passte, und weinte sehr laut. Ein jüngeres Mädchen, das den gleichen Schlafanzug in Gelb trug, saß neben ihr und tröstete sie.
Auf dem anderen Sofa saßen eine dicke Frau in den Siebzigern, die ein Sweatshirt mit einem Kätzchen mit Glitzerkrone trug, und ein langer, dünner Junger mit schwarz gefärbten Haaren und komplettem Marilyn-Manson-Make-up, der etwas von Kentucky Fried Chicken aß.
»Sorry, Greg«, schniefte Tanya. »Mein Dad wollte wissen, warum du vorbeikommst, und ich hab mich voll aufgeregt und hab ihm, na ja, hab ihm eben alles erzählt.«
Greg musste schlucken; er hoffte, es wäre nur die Panik. Oh mein Gott! Was meinte sie denn mit »alles«?
Tanyas Dad ließ sich auf den einzigen freien Stuhl sinken. Er zeigte auf einen wackelig aussehenden Couchtisch, und Conor und Greg setzten sich vorsichtig darauf.
»Das ist meine Schwester Kerry«, schniefte Tanya. »Und das ist meine Oma und mein Bruder Eoghan.« Sie bemerkte die Anzüge. »Ihr seht voll aus, als würdet ihr auf
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