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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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aussehend, charmant und
unterhaltsam. Ich könnte mir kaum bessere Gesellschaft für heute Abend
vorstellen. Außerdem kann er uns sicher Neuigkeiten aus dem Vale berichten.«
    Das Vale! Vitória hatte es gründlich satt,
dieses Gerede vom Vale do Paraíba, das ihre Eltern in der Erinnerung immer mehr
zu einem Garten Eden verklärten. Wann wachten sie endlich auf? Das Vale, wie
sie es von früher kannten, gab es nicht mehr – und es hatte keinen Sinn, ein
Heimweh zu kultivieren, für das es keine Heilung gab. Einzig dadurch, dass man
sich den veränderten Umständen stellte, konnte man es vielleicht retten. Aber
ihre Eltern zogen es ja vor, in Rio zu bleiben, anstatt sich um Boavista zu kümmern.
    »Ach Papai, da fällt mir ein, ich habe heute mit
einem Bekannten gesprochen, einem Reeder aus Santos, der eventuell Interesse an
Boavista hätte. Wollen Sie noch immer nicht verkaufen, oder darf ich dem Mann
Hoffnungen machen?«
    »Wenn dein Reeder mir so viel bietet wie zuvor
der Viehzüchter, der Bankier oder der Ingenieur, dann kannst du dem Mann sagen,
dass Boavista nicht zu verkaufen ist. Ich will mindestens sieben contos de
reis für das Haus und die Ländereien.«
    »Aber Pai, der Preis ist völlig überhöht! Selbst
in Rio bezahlt man für ein schönes Haus und ein großes Grundstück nicht mehr
als fünf Millionen Reis!«
    »Liebe Vita, mir scheint, du bist ganz versessen
darauf, das Haus, in dem du geboren wurdest, zu verscherbeln. Das empfinde ich
als persönliche Beleidigung.«
    Vitória sah León um Hilfe bettelnd an. Er musste
doch ein ebenso großes Interesse daran haben, dass ihre Eltern endlich auszogen
– und das würden sie nur tun, wenn sie eigenes Geld hätten, welches sie
wiederum nur mit dem Verkauf von Boavista verdienen konnten. Aber León
erwiderte ihren Blick mit einem gemeinen Lächeln.
    »Ja, liebe Vita, wie kommt es, dass du so
erpicht darauf bist, Boavista zu verkaufen?«
    »Weil ich es liebe, deshalb! Ihr alle wollt es
offenbar lieber den Termiten, den Holzwürmern und dem Schimmel überlassen, als
es jemandem verkaufen, der sich darum kümmert und es erhält.«
    »Aber Vitória,
was redest du nur wieder für einen Unfug«, sagte Dona Alma. »Wir erhalten doch
Boavista, in all seiner Pracht.«
    »Mit meinem Geld. Haben Sie eine Ahnung,
welche Unsummen dieses Haus verschlingt? Und wofür? Für nichts! Für ein
unbewohntes Haus und ungenutzte Felder. Ich bezahle fünf ehemalige Sklaven dafür,
dass sie Möbel polieren, Räume lüften und Blumenbeete pflegen. Und ich könnte
wetten, dass diese fünf Schwarzen sich abends in unserem Salon zusammensetzen
und > feine Herrschaften < spielen. Womöglich liegen sie sogar in unseren
Betten.«
    »Das würden sie nicht wagen!« Es überstieg Dona Almas Vorstellungsvermögen,
dass ein Schwarzer sich erdreisten konnte, ihr Bett zu entweihen. »Außerdem ist
ja einer von den fünfen Luíz, und der wird schon aufpassen, dass alles mit
rechten Dingen zugeht.«
    »Wenn Sie meinen ...« Vitória sah entnervt zu León,
der schmunzelnd das Gespräch verfolgt hatte. »Findest du das etwa komisch?«
    »Ja,
allerdings. Gönnst du es den armen Schwarzen nicht, dass sie in eurem Salon
sitzen und sich ein bisschen vergnügen? Sie haben ja sonst nicht viel zu lachen
auf Boavista, vereinsamt wie es ist.«
    »Nein. Ich gönne es ihnen nicht. Ich
finde den Gedanken, dass ein Feldsklave auf dem grünen Samtsofa sitzt, aus
unseren Kristallgläsern trinkt und die Luft mit Pfeifenqualm verpestet, sogar
ausgesprochen widerlich. Genau wie dein Grinsen.«
    »Letzteres zumindest kann ich dir ersparen. Ich
wollte sowieso gleich aufbrechen.« León legte das Besteck auf seinen noch halb
vollen Teller, trank den letzten Schluck Wein aus seinem Glas und erhob sich.
Mit einer leichten Verbeugung verabschiedete er sich von seinen
Schwiegereltern. »Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend. Und bitte bestellen
Sie Pedro und Joana meine herzlichsten Grüße.« Dann bückte er sich, um Vitória
in gespielter ehelicher Routine einen Kuss auf die Wange zu geben. »Du solltest
deine Eltern wirklich begleiten«, raunte er ihr zu. »Vielleicht kann dich der
charmante Rogério ja mit seinen Talenten ein wenig, ähm, auflockern.«
    Nachdem León gegangen war und während ihre
Eltern sich fröhlich darüber stritten, mit welcher der drei Kutschen sie bei
Pedro vorfahren sollten, saß Vitória in stummer Verletztheit am Tisch und
dachte über Leóns niederträchtige Worte nach. Wenn er ihr riet,

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