Ana Veloso
Trost bei
anderen Männern zu suchen – bitte, das konnte er haben.
»Ich werde Sie begleiten«, sagte Vitória mit
schriller Stimme und löste bei ihren Eltern ein betretenes Stirnrunzeln aus.
XXV
Lili konnte ihr Glück kaum fassen. Mit Félix
hatte sie einen echten Schatz an Land gezogen. Der Junge brachte ihr nicht nur
sämtliche Unterlagen in Ordnung, sondern überzeugte sie außerdem von der
Notwendigkeit einiger Investitionen, womit er entscheidend zu dem
ausgezeichneten Geschäftsergebnis des vergangenen Jahres beigetragen hatte. Der
Kauf neuer Möbel und eines prächtigen Kristallleuchters, die elegante Garderobe
ihrer Mädchen, die Qualität der Spirituosen, die im Goldenen Schmetterling
offeriert wurden, sowie die stilvolle musikalische Untermalung durch einen
eigens engagierten Pianospieler hatten das Niveau der Kundschaft deutlich
angehoben – und das der Preise ebenfalls. Sogar der Name ihres Bordells war Félix'
Idee gewesen. »Kein Weißer mit einem Minimum an Geschmack und Selbstrespekt
geht in ein Bordell, das unter dem Namen > Lilis Loch < bekannt ist. Du
musst deinem Geschäft einen richtigen Namen geben, einen, den du auf ein schönes
Schild schreiben kannst und der glanzvoll, vornehm und teuer klingt, sonst
wirst du nie andere Kunden haben als arme Teufel«, hatte er, mehr Worte als üblich
brauchend, auf seine Tafel gekritzelt. »Ja, aber wer wird dann noch wissen,
dass es sich um ein Hurenhaus handelt?«
»Wie wäre es mit > Zum Goldenen Honigtopf < ?«
»Was für ein Unsinn. Die Hausfrauen werden
kommen und glauben, hier würden Süßigkeiten verkauft. Dann noch lieber > Zur
Goldenen Stute < .«
»Viel zu ordinär. Aber was hältst du von > Zum
Goldenen Schmetterling < ?«
Der Name war Félix spontan eingefallen, aber je
länger er darüber nachdachte und je mehr er Lilis Mienenspiel beobachtete,
desto besser gefiel er ihm. Er klang zart, fein und exotisch, war aber zugleich
unmissverständlich: »Schmetterling« bezeichnete in der Umgangssprache das
weibliche Geschlecht.
»Das ist genial!«, schrie Lili. »Darauf trinken
wir einen!«
Seit nunmehr einem Jahr schmückte ein reich
verzierter Schmetterling das Schild von Lilis Etablissement. Auch im Innern des
Hauses wiederholte sich das Motiv, an den Haarkämmen der Mädchen ebenso wie an
den Oberlichtern der Türen oder auf den bestickten Seidenkissen. Felix'
brillante Idee war von Lili mit einer üppigen Prämie honoriert worden, die im
Verhältnis zu dem Gewinn, den Lili erwirtschaftete, noch viel zu niedrig war.
Aber Félix gab sich damit zufrieden. Seit Lili
die verlebten, alten Huren durch hübsche, junge Frauen ersetzt hatte, genoss Félix
es, sich tagsüber als einziger Mann unter den Mädchen aufzuhalten. Wenn sie
noch ungeschminkt waren, schlichte Kleider trugen und alberne Witze erzählten,
unterschieden sie sich kaum von anständigen jungen Frauen. Es gefiel ihm, dass
er sich, wenn er müde war, mitten am Tag für eine halbe Stunde hinlegen konnte
oder, wenn er denn das Bedürfnis gehabt hätte, sich ein Glas Weinbrand
genehmigen durfte. Diese Freiheiten hätte er bei keiner anderen Anstellung
gehabt, am allerwenigsten bei seiner Arbeit im Kontor. Das Schönste an seinem
neuen Arbeitsplatz aber war, dass ihn hier niemand wegen seiner Hautfarbe oder
seiner Stummheit hänselte. Alle respektierten ihn und schätzten seine Fähigkeiten.
Die Mädchen mochten ihn gut leiden, und nicht selten geschah es, dass er,
ebenfalls während seiner Arbeitszeit, eine Runde Karten mit ihnen spielte. Félix
hatte ein eigenes kleines Büro, doch seit Lili festgestellt hatte, dass seine
Gegenwart einen »beruhigenden« Einfluss auf die Gäste hatte, hielt er sich so
oft wie möglich im Salon auf. Die Zahl der Männer, die Schwierigkeiten beim
Zahlen machten oder unter Alkoholeinfluss ihre Manieren vergaßen, war seitdem
deutlich gesunken, genau wie die Kosten für die Reinigung von Teppichen und für
Reparaturen an Möbeln.
Lili hatte von der Abschaffung der Sklaverei
mehr profitiert als die meisten anderen Schwarzen. Täglich kamen neue Frauen
vorbei, verzweifelt, abgemagert und verhärmt, auf der Suche nach einer Beschäftigung,
die ihnen und ihren Kindern das Überleben sicherte. Aber Lili war in der
Auswahl ihrer Huren äußerst kritisch. Nur die hübschesten, jüngsten und
unverdorbensten Mädchen durften bei ihr arbeiten, und auch an denen herrschte
kein Mangel. Am liebsten waren Lili ehemalige Haussklaven. Die Mädchen waren
gut
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