Ana Veloso
viel eleganteren Salon. In seiner Wohnung stieß
sie nicht an jeder Ecke auf Spuren der feindlichen Besatzer, stolperte sie
nicht über die Puppen von Ifigénia, musste sie sich nicht über Eufrásias Häkeldeckchen
ärgern, die sie während ihrer langen Gespräche mit Dona Alma anfertigte und
anschließend im ganzen Haus verteilte. Aaron konnte sie ihr Leid klagen, ohne
ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Sie, die die ganze Familie und den halben
Freundeskreis durchfütterte, erfuhr nichts als Undankbarkeit und
Feindseligkeit. Alle nörgelten an ihr herum, warfen ihr Arroganz und einen
unchristlichen Mangel an Aufopferungsbereitschaft vor. Und je weniger die
anderen sie verstanden, ihre Hilfe würdigten, den Hintergrund ihrer Wutausbrüche
erkannten, desto mehr vertraute sich Vitória Aaron an. Ihre Vertrautheit wuchs
in diesen Wochen so sehr, dass sie ihm sogar Ehegeheimnisse verriet, ihm von
den gezielten Beleidigungen Leóns erzählte, von ihren einsamen Nächten, der
Sehnsucht nach Zärtlichkeit. Und Aaron hörte zu. Er wusste, dass Vitas
Martyrium in ihm nichts als aufrichtiges Mitgefühl hätte auslösen dürfen, doch
immer mehr gesellte sich dazu die Hoffnung auf eine Verbindung, die über
Freundschaft hinausging. Wenn sie Vita weiter so quälten, würde sie Zuflucht
bei ihm suchen – und er würde ihr all das geben, was sie zu Hause entbehren
musste.
»Ich finde es unsagbar rücksichtslos von Vitória,
dass sie jetzt nicht einmal mehr zum Abendessen heimkommt. Was wirft das für
ein Licht auf uns, wenn unsere Tochter mehr Zeit mit diesem rothaarigen Anwalt
verbringt als mit ihrer Familie?« Dona Alma sah mit selbstgerechter Miene in
die Runde.
»Aber liebe Alma, was unterstellst du Vita nur?
Vielleicht hat sie einen Unfall gehabt und konnte deshalb nicht rechtzeitig zu
Hause sein. Vielleicht liegt sie in diesem Moment ohnmächtig auf dem Trottoir –
sie sieht in letzter Zeit wirklich blass und kränklich aus –, und keiner weiß,
wer sie ist. Ich jedenfalls mache mir große Sorgen um sie.« Eduardo kratzte
seinen Bart und sah unschlüssig das Essen vor sich an. Er hatte jeden Appetit
verloren.
»Natürlich, wir alle machen uns Sorgen«, sagte
Eufrásia. »Besonders um ihre sittliche Gesundheit. Sie ist ein wenig zu oft bei
diesem Aaron Nogueira, als dass ...«
»Halt!«, unterbrach León sie. »Ich dulde es
nicht, dass in Abwesenheit Vitas schlecht über sie gesprochen wird. Wenn Sie
Kritik an ihr üben möchten, dann tun Sie das, wenn sie hier ist und sich
verteidigen kann.«
»Aber jeder weiß doch, dass sie ein Verhält...«
»Noch ein Wort, und Sie können auf der Stelle
Ihre Sachen packen!«
Eufrásia war nicht minder pikiert als Dona Alma.
Jeder, inklusive León, war über die vielen Besuche Vitas bei Aaron Nogueira
unterrichtet, über die Spaziergänge der beiden, bei denen sie vertraulich die Köpfe
zusammensteckten, genau wie über ihre Cafébesuche, bei denen Aaron Vitas Hände
mit seinen umschlossen hielt. Sie machten keinen Hehl aus der Art ihrer
Freundschaft, und León wusste das besser als jeder andere.
Doch Eufrásia begriff, dass sie besser nicht
insistierte. »Schade ist es auf jeden Fall, dass Vita nicht zum Essen
erscheinen konnte.«
»Ja, das ist es. Gerade heute wollte ich sie bitten, sich
unserer Kirche gegenüber ein bisschen großzügiger zu erweisen. Die Bruderschaft
der Nossa Senhora da Glória benötigt dringend Mittel für Reparaturen im
Dachstuhl.« Dona Alma warf León einen herausfordernden Blick zu, bevor sie
fortfuhr. »Aber Vitória spendet ja nur, wenn sie damit ihren Namen verewigen
kann oder wenn es sich um Aufsehen erregende Projekte handelt, über die in der
Zeitung berichtet wird. Diese Eitelkeit schmückt sie nicht besonders.«
Eufrásia setzte bereits zu einer Ergänzung an.
Es gab noch so viele andere Dinge, die Vita nicht schmückten: ihre schlichte
Frisur, ihre Magerkeit, ihre triste Garderobe, ihre verbiesterte Art, ihre
Brille, die sie nun fast ständig trug. Doch die kleine Ifigénia bewahrte
Eufrasia vor einer Bemerkung, die unweigerlich Leóns Zorn hervorgerufen hätte.
Das Kind kam laut plärrend ins Esszimmer
gerannt, warf sich León an den Hals und brabbelte unverständliche Sätze, die
nur er richtig zu deuten verstand. »Ist ja gut, mein Schätzchen. Wir gehen
jetzt zusammen hoch auf dein Zimmer und sehen nach, wo sich der Geist versteckt
hat. Wenn wir ihn erwischen, bekommt er es mit mir zu tun.« Er nahm das Kind
auf den Arm und verließ,
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