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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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ja, wie jeder weiß, in Saus und Braus lebt?« Vitória
hatte von Rogério gehört, dass Eufrásias Vater mit einer früheren Sklavin
durchgebrannt war und, so vermutete man, im Amazonasgebiet mit Kautschuk sein
Glück machte, während ihre Mutter Zuflucht bei einer entfernten Cousine in Belo
Horizonte gesucht hatte.
    Eufrásia starrte Vitória konsterniert an. »Ich
bleibe natürlich in Rio.«
    »Und wo?«
    »Bei dir. Vorerst jedenfalls. In diesem Haus ist
doch mehr als genug Platz. Und Personal hast du ebenfalls genug, sodass auch
Ifigénia nicht unangenehm auffällt.«
    »Tja, liebste Freundin, ich fürchte, ich muss
dich auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Erstens: Ist es dir jemals in den
Sinn gekommen, mich zu fragen, was ich davon halte? Wenig, wenn du es genau
wissen willst. Ich finde, dein Platz ist auf São Luíz. Zweitens: Das Haus mag
dir jetzt leer erscheinen, aber wenn meine Eltern und León wieder von ihren
Reisen zurück sind, geht es hier zu wie in einem Taubenschlag. Drittens: Ich
denke, dass León dich und Ifigénia nach wenigen Tagen hinauswerfen wird. Er
hasst Kinder.«
    Doch darin täuschte sich Vitória. Als León aus
Chuí zurückkehrte, braun gebrannt, unrasiert und leicht verwildert, verliebte er
sich auf der Stelle in Eufrásias kleine Tochter. Er tröstete das Kind, wenn es
nachts aufwachte und heulend durchs Haus geisterte. Er fütterte es, wenn Eufrásia
und die Dienstboten mit ihrer Weisheit am Ende waren und sich nicht länger mit
Karottenbrei bespucken lassen wollten. Er brachte Ifigénia Spielsachen aus der
Stadt mit, verwöhnte sie mit hübschen Kleidern und feinen Bonbons.
    Vitória beobachtete Leóns väterliche Regungen
mit gemischten Gefühlen. Es rührte sie, wenn er Ifigénia auf den Schoß nahm und
ihr, mit samtiger Stimme und großer Zärtlichkeit in den Augen, selbst erdachte
Geschichten erzählte, die fast immer von Indios, Urwäldern und wilden Tieren
handelten. Zugleich ärgerte sie sich über die engelsgleiche Geduld, die er
einem so unausstehlichen Kind, das weder besonders aufgeweckt noch hübsch war,
entgegenbrachte. Zugegeben, in Leóns Gegenwart verwandelte sich Ifigénia immer
in einen niedlichen Wonneproppen. Aber das weckte erst recht Vitórias Unmut.
Sie ist schon genauso falsch wie ihre Mutter, dachte Vitória. Wenn León wüsste,
wie sie sich aufführt, wenn er nicht da ist! An anderen Tagen wiederum erfüllte
es sie mit Neid und Trauer, ihn sich so hingebungsvoll mit der Kleinen beschäftigen
zu sehen. Er würde nie eigene Kinder haben, die er mit so viel Liebe überschütten
konnte – jedenfalls nicht mit ihr.
    Eine Woche lang gelang es Vitória, das Geschehen
stillschweigend zu verfolgen. Doch ihre Wut wuchs von Tag zu Tag, und wenn sie
sich Eufrásia und ihre Brut nicht für immer aufhalsen wollte, musste sie etwas
unternehmen.
    »León, das Kind ist fast zwei Jahre alt. Es
sollte längst durchschlafen, anstatt uns alle mit seinen nächtlichen
Wanderungen zu beunruhigen.«
    »Die Kleine kann doch nichts dafür, dass ihre
Mutter so unfähig ist, es zu erziehen. Unter meinem Dach soll kein Kind Angst
haben und weinen.«
    »Und unter meinem Dach soll kein Kind verzogen
werden. Wenn du das Mädchen weiter so verwöhnst, wird es auf São Luíz nichts
als Terror verbreiten.«
    Aber León bekam Schützenhilfe von unerwarteter
Seite. Als ihre Eltern aus der Sommerfrische zurückkehrten, fand er in Dona
Alma eine Verbündete. Sie war hingerissen von dem Kind, dem sie all die
Aufmerksamkeit schenkte, die sie eigenen Enkelkindern nicht geben konnte, und
sie war hoch erfreut über Eufrásias Interesse für die europäischen Königshäuser.
Sie bestand darauf, dass die Gäste blieben. León war weiterhin Ifigénias
Liebling, doch seit Dona Almas Rückkehr widmete er dem Kind weniger und seiner
Arbeit wieder mehr Zeit. Er war kaum noch zu Hause, und Eduardo lebte ohnehin
in seiner eigenen Welt aus neumodischen und zumeist nutzlosen Erfindungen.
Nicht einmal Sábado hielt Vitória die Treue. Er ließ sich als Reittier für Ifigénia
missbrauchen und verfolgte die Kleine mit hündischer Liebe, als hielte er sie für
ein Junges, das er beschützen musste. Vitória fühlte sich in ihrem eigenen Haus
wie eine Ausgestoßene.
    Sie verbrachte immer mehr Zeit mit Aaron. Er war
der einzige Mensch auf der Welt, der sie verstand, der sich ihren Kummer anhörte,
ohne sie zu kritisieren. In seinem blauen Ess- und Wohnzimmer fühlte sie sich
heimischer als in ihrem eigenen,

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