Ana Veloso
einst
weiches, glänzendes Haar hatte sich, von zu viel Arbeit im Freien, in Stroh
verwandelt, mit blonden, stumpfen Strähnen, und ihre Zähne hatten unter der
Schwangerschaft ebenso gelitten wie ihre Figur. Vitória war erschüttert.
Obwohl sie entschlossen war, die Dauer des
Besuchs auf ein Mindestmaß zu beschränken, forderte das Mitleid erregende
Aussehen Eufrásias ihren Ehrgeiz heraus. »Das bekommen wir schon wieder hin«,
hatte sie zu ihr gesagt. »Taís rührt immer einen Brei aus Eigelb, Bier,
Limonensaft und Honig an, der, wenn er eine Viertelstunde einwirkt, das Haar
wieder ganz weich und seidig macht. Milchbäder werden deine Haut glätten, auf
deine rissigen Fingernägel werden wir täglich Olivenöl auftragen.«
»Vita, ich bin doch keine Pastetenfüllung, die
man mit einer wüsten Mischung an Zutaten streckt! Bier in meinen Haaren,
heilige Muttergottes!«
»Warte es nur ab. Bald wirst du wieder zum Anbeißen
aussehen.« Eufrásia fügte sich, auch wenn sie lieber in Rosenwasser gebadet und
ihre Nägel mit Kamillensalbe behandelt hätte. Doch die unorthodoxen
kosmetischen Maßnahmen wirkten, ebenso wie die müßig im Schatten verbrachten
Stunden der Lektüre, die anregende Gesellschaft Vitórias und die edlen Kleider,
die diese ihr lieh. Auch die Tatsache, dass sich das Personal rührend um ihre
kleine Tochter bemühte und sie selber das Kind nicht mehr pausenlos um sich
hatte, trug zu Eufrásias Entspannung bei. Nach zwei Wochen schon fühlte sich
Eufrásia wieder als Mensch, und all die Entbehrungen und Misshandlungen, die
sie angeblich auf São Luíz erlitten hatte, wären in weite Ferne gerückt, wenn
Vitória sie nicht immer wieder daran erinnert hätte.
»Eufrásia, du kannst dich doch nicht ewig aus
der Verantwortung stehlen. Sie brauchen dich dort.«
»Wofür brauchen sie mich schon? Um jemanden zu
haben, auf dem sie herumhacken können!«
Vitória hatte nach allem, was Eufrásia ihr erzählt
hatte, einen anderen Eindruck gewonnen. Die Familie Peixoto kämpfte mit allen
Mitteln um den Erhalt ihrer Fazenda, und nur Dona Iolanda, Eufrásias
Schwiegermutter, war es zu verdanken, dass die Familie sich über Wasser hielt.
Diese alte Ziege, dachte Vitória voller Bewunderung, wer hätte das gedacht! Sie
hielt ihre nichtsnutzigen Leute mit eiserner Faust zur Arbeit an, mit dem Ergebnis,
dass die Fazenda sie alle ernährte. Sie hatten Obst, Gemüse, Getreide und Hülsenfrüchte,
sie bauten Zuckerrohr und Kaffee an, es gab Fleisch, Fisch, Milch, Eier, Honig
im Überfluss. Sie brannten eigenen Schnaps, stellten selber Seife, Wolle, Käse und
Butter her. Eigentlich gab es Schlimmeres, als Selbstversorger auf einem großen
Stück Land zu sein, das vom Klima so verwöhnt war, dass dort alles gedieh und
dass niemand fror.
»Aber wir produzieren zu wenig und verkaufen
kaum etwas. Wir haben praktisch kein Geld, und allein der Kauf von Papier oder
Schuhen wird jedes Mal stundenlang diskutiert. Natürlich setzt sich immer Dona
Iolanda mit ihren niederen bäuerlichen Ideen durch. Sie hielt den Kauf von
Saatgut für dringender als den Kauf eines schönen Taufkleides für Ifigénia, was
ich ihr nie verzeihen werde. Die Kleine wurde in einem groben, selbst
gestrickten Kleid getauft, und das von einem kaum alphabetisierten Landpfarrer,
der alle paar Wochen bei uns vorbeikommt.« Eufrásia kämpfte mit den Tränen.
»Ich glaube nicht, dass Ifigénia den Unterschied
bemerkt hat.«
»Nein, und wenn das so weitergeht, wird sie den Unterschied auch
nie kennen lernen. Sie wird es für normal halten, dass Frauen vom Kühemelken
muskulöse Oberarme bekommen, dass man sonnenverbrannte, sommersprossige Haut
und gebleichtes Haar hat, dass man im Morgengrauen aufsteht und spätestens um
neun ins Bett geht – wo sich dann dank körperlicher Erschöpfung auch nicht mehr
viel tut. Sie wird sich selber ankleiden und sich das Haar alleine aufstecken müssen.
Sie wird nie mit einer Puppe mit einem hübschen Porzellangesicht spielen,
sondern nur mit groben, selbst geschnitzten oder gehäkelten Spielsachen.«
»Du selber hast auch nicht mit deiner
Porzellanpuppe gespielt nachdem du ihr schon am dritten Tag die Haare
abgeschnitten hattest.«
Eufrásia lachte kurz auf bei der Erinnerung an
ihre verstümmelte Puppe. »Ich will das nicht, nicht für Ifigénia und auch nicht
für mich. Ich ertrage das nicht länger. Ich gehe nie wieder dorthin zurück!«
»Aha? Und wo gedenken Madame zu bleiben? Bei
ihrer eigenen Familie, die
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