Ana Veloso
sein!
Er steckte Fernanda einen einfachen Silberring an, küsste sie und sah sie in
einer Mischung aus Misstrauen und Verlangen an. Was sie wohl noch alles an
Tricks für ihn bereithielt?
Kurz darauf brachte ihn Fernanda dazu, seine
Arbeit bei Lili aufzugeben. »Wir heiraten natürlich erst dann, wenn du einer
respektablen Arbeit nachgehst. Ich will nicht Frau eines Zuhälters werden.« Um
dieses Ziel durchzusetzen, gewährte sie Félix keine der Freiheiten mehr, an die
er sich bereits gewöhnt hatte. Keine Küsse, keine zärtlichen Berührungen, keine
engen Umarmungen mehr! Fernanda blieb, trotz der Qualen, die sie damit auch
sich selber zufügte, konsequent – bis er endlich, kurz vor Karneval, bei Lili kündigte.
»Félix«, hatte diese geschrien, »das kannst du mir nicht antun! Warte
wenigstens bis Aschermittwoch, dann ist hier eh weniger los.« Aber sein
Entschluss hatte festgestanden, verstärkt durch das Darlehen, das León ihm
zugesagt hatte und das ihm den Einstieg in Gustavos Schreibwarenladen
erleichtern würde.
Nach Karneval begann Félix in der Buchhaltung
des Geschäfts im Verkauf konnte man einen Stummen ja schlecht gebrauchen. Er saß
zwölf Stunden täglich in einer engen, muffigen Schreibstube und hätte am
liebsten alles hingeschmissen. Doch der alte Gustavo war von Félix' nicht immer
hundertprozentig legalen Kenntnissen, wie man Geld an der Steuerbehörde vorbeischleusen
konnte, so begeistert, dass er ihm mehr Verantwortung übertrug und ihm mehr
zahlte. Was für ein Glücksgriff dieser Junge doch gewesen war! Félix, der nie
seine mögliche Zukunft als Besitzer dieses Geschäfts aus den Augen verlor,
bestand darauf, einige Stunden am Tag im Verkaufsraum auszuhelfen, zur Not eben
auch auf unterster Ebene, als Bursche für alles. Er kletterte die hohen Leitern
hinauf, um in einer Höhe von fast fünf Metern schwere Papierpakete
hervorzusuchen; er lief in den Lagerraum, um die verlangten Farben und Tinten
zu holen, die nicht selten von Hitze und falscher Lagerung eingetrocknet waren;
er staubte hunderte von Aktenordnern ab, die seit einer Ewigkeit auf Käufer
warteten; er ließ sich von Dummköpfen herumscheuchen, die den halben Tag in der
Nase bohrten, sich aber abwandten, wenn Kundschaft in Sicht war. Und er
beobachtete. Félix erkannte sofort, was man hätte besser machen, wo man hätte
sparen und wie man hätte Kunden anlocken können.
Dennoch wusste er noch viel zu wenig, als eines
schönen Apriltages der alte Gustavo einen Schlaganfall erlitt und wenig später
starb. Gustavos Familie, die mit dem Laden nichts zu schaffen haben wollte, war
heilfroh, als Félix sich ihnen als Käufer empfahl. Félix erwarb das
heruntergewirtschaftete Geschäft zu einem angemessenen Preis und war sich
sicher, dass er die Investition mit einigen Neuerungen und viel Arbeit schnell
wieder einfahren würde. Fernanda hatte ihn tatkräftig unterstützt, und da sie
ja bald seine Ehefrau wäre, nannten sie den Laden nach ihrer beider
Namensanfang: »Fé«, wie Glaube, Vertrauen.
Tja, vielleicht hatte er das Schicksal damit
einmal zu oft herausgefordert? Von dem festen Glauben an sein Glück jedenfalls
war nicht mehr viel übrig, nachdem ihn Fernanda in den vergangenen Wochen so
malträtiert hatte. Er hatte innerhalb kürzester Zeit den Laden auf Vordermann
gebracht, ein Haus gekauft, geheiratet und ein Kind gezeugt – und doch fühlte
sich Félix nicht halb so froh, wie er es hätte sein sollen. Die Götter sanft
stimmen! Er musste erst einmal sich selber sanft stimmen, damit er nicht unter
dem Druck, den Arbeit, Schulden, Verantwortung und eine quengelige Ehefrau in
ihm auslösten, aus der Haut fuhr und womöglich – Gott bewahre! – noch seine
Hand gegen Fernanda erhob. Félix sah José betrübt an und erkannte an dem
abwesenden Blick des Alten, dass er mal wieder der Realität entrückt war. Hatte
er das mit den Göttern etwa auch schon in umnachtetem Zustand gesagt? Egal,
dachte Félix, es schadet ja nichts, einmal bei Luiza vorbeizuschauen.
Luiza lachte ihm laut ins Gesicht.
»Da kann keine mãe de santos helfen. An
Schwangeren praktizieren sie ihren Zauber nicht.«
Sie reichte Félix einen Becher Schokolade, nahm
dann einen Topf vom Herd, dem ein Wohlgeruch aus Zwiebeln, Knoblauch und
Fleisch entstieg, und wandte sich Félix zu. Um sich mit dem Jungen zu
unterhalten, reichten keine Ohren, da brauchte man beide Augen und alle
Konzentration.
»Wenn dein Mädchen mit einem anderen
durchbrennt, ja, da
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