Ana Veloso
lässt sich was unternehmen. Wenn sie vielen Männern schöne
Augen macht, wenn sie eitel ist, wenn sie dir gegenüber gleichgültig ist für
all das gibt es Gegenmittel. Aber eine schwangere Frau muss man einfach so
hinnehmen. Es ist ja bald vorbei.«
Sie sah Félix mitleidig an, füllte seinen Becher
mit dem Rest warmer Milch auf und setzte sich zu ihm.
»Und wie geht es José, dem alten Schwerenöter?«
Félix erklärte ihr gestenreich, dass es mit dem
Alten nicht zum Besten stünde, dass er zunehmend verwirrt war, dass er immer öfter
von einer Marta sprach. Félix schrieb auf seine Tafel »Marta?«, aber Luiza, die
außer einem L keinen Buchstaben lesen konnte, verstand nicht.
»Warte mal, das haben wir gleich. Sinhô Pedro
ist zu Hause, der kann mir dein Geschreibsel übersetzen.«
Als sie wenig später zurück in die Küche kam,
hatte sich ihr Gesicht verdüstert.
»Er spricht zu dir von Marta? Das bedeutet
nichts Gutes. Ich hatte gedacht, dass er dieses Kapitel für immer aus seinem
Gedächtnis verbannt hat.«
Wer denn nun diese Frau sei, begehrte Félix zu
wissen, ungeduldig mit den Fingern auf den Tisch trommelnd.
»Marta war Josés Frau. Ihr damaliger Senhor hat
sie an einen Gummibaron in Manaus verkauft und José an Senhor Eduardo. Dass sie
schwanger war, hat den Senhor nicht interessiert. Ach, Félix, er war so unglücklich!
José lachte damals nie, er weinte auch nicht, er machte immer nur ein ernstes
Gesicht. Aber wie das so ist: Die Zeit heilt alle Wunden. Und wir hatten es ja
sehr gut auf Boavista.«
Félix blickte traurig in die kleinen, schlauen Äffchenaugen
von Luiza. Was wohl aus Marta geworden war, oben in den unwirtlichen Amazonaswäldern,
wo kein Sklave länger als zwei Jahre Kautschuk zapfte, weil ihn dann die
Malaria oder das Gelbfieber hinwegraffte? Es war, sogar noch zu Félix' Zeiten
auf Boavista, immer die größte Angst aller Sklaven gewesen, in diese grüne Hölle
verkauft zu werden. Es war die Höchststrafe, die allerdings auf Boavista nie
verhängt wurde, wie überhaupt die Bestrafung für faule, aufsässige oder
unehrliche Sklaven mild gewesen war. Und das Kind? Hatte Marta es bekommen,
hatte es überlebt, war es jetzt vielleicht sogar ganz in der Nähe? Was für eine
Folter musste das für den alten José darstellen, sich auszumalen, was aus der
Frucht von seiner und Martas Liebe geworden war.
Bedrückt und kaum schlauer als zuvor ging Félix
nach Hause. Ein Gutes hatten seine Besuche bei José und Luiza wenigstens
gehabt: Die Geschichte des Alten führte ihm vor Augen, wie gut er selber es
hatte. Er war frei, jung und gesund. Und wenn Fernanda erst einmal wieder zurück
zu ihrem alten Wesen fände, wäre er wunschlos zufrieden.
Tatsächlich ließen wenig später die Übelkeit und
die Übellaunigkeit Fernandas nach. Und je mehr ihr Umfang wuchs, desto mehr
liebte Félix sie. Als sie erstmals Fußtritte in ihrem Bauch bemerkte, nahm sie
seine Hand, legte sie auf ihren gewölbten Leib und sagte: »Fühl mal. Er macht
schon Capoeira.« Félix hätte heulen können vor Glückseligkeit. Er verbrachte
jede freie Sekunde mit Fernanda, nahm ihr Arbeiten im Haushalt ab, brachte Essen
mit, damit sie nicht so lange am Herd stehen musste, bezahlte eine Waschfrau,
obwohl Fernanda ihn wegen dieser überflüssigen Ausgabe ausschimpfte. Er
massierte ihre aufgedunsenen Füße und besorgte Limonenscheiben, die sie sich
auf die Schläfen legen konnte, wenn sie Kopfweh hatte.
Das Geschäft und Fernanda ließen Félix nicht genügend
Zeit, sich so um José zu kümmern, wie es richtig gewesen wäre. Félix ging höchstens
noch einmal die Woche in sein altes Viertel, manchmal verstrichen sogar
vierzehn Tage, bevor er sich dort mit schlechtem Gewissen blicken ließ und
sicherstellte, dass es dem Alten gut ging. Bei einem Besuch im November, den Félix
wegen der drückenden Schwüle und diverser Probleme im Geschäft wie eine lästige
Pflicht vor sich hergeschoben hatte, fand er seine alte Behausung leer vor. Félix
ging zur Nachbarhütte, um José zu suchen. Doch die Nachbarin schlug die Hände
vor dem Gesicht zusammen und stammelte: »Jesus Maria, weißt du es denn noch
nicht? José ist vorgestern gestorben.«
Warum ihn niemand benachrichtigt hätte, wollte Félix
wissen. »Der Monokel-Zé wollte in deinen Laden kommen«, hieß es. Aber der
Monokel-Zé behauptete, dass er den Klumpfuß geschickt hätte, der wiederum
beteuerte, dass er einem Kahlkopf mit grüner Ladenschürze die
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