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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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müssten. Doch Fernanda desillusionierte ihn.
    »Wir wissen nichts. Weder, wo Marta gelandet
ist, noch, wie sie ihr Kind getauft hat. Wir wissen nicht einmal, ob es ein
Mann oder eine Frau ist. Das Ganze liegt fast fünfzig Jahre zurück, ich glaube,
die Mühe können wir uns sparen.« Als sie dennoch einen kleinen
Hoffnungsschimmer in Félix' Gesicht erkannte, fuhr sie fort: »Und Einsicht in
die Akten darf man keine mehr nehmen. Hast du es noch nicht gehört? Dieser
Minister, dieser Rui Barbosa, will sämtliche Papiere in den Archiven, die Kauf,
Verkauf, Geburt und Tod von Sklaven festhielten, vernichten. Und zwar zu
unserem Besten, wie es heißt: Die Senhores sollen keine Handhabe mehr für irgendwelche
Schadensersatzklagen gegen die Regierung haben.«
    Es war nicht einfach, die Bank davon zu überzeugen,
dass er der rechtmäßige Erbe Josés war. Sie verlangte Urkunden, Dokumente,
Beglaubigungen, dass Félix davon der Schädel brummte. Doch nach einer endlosen
Rennerei hatte er schließlich alle erforderlichen Schriftstücke beschafft, sich
außerdem einen unheilbaren Abscheu vor Bürokraten zugezogen, und nahm endlich
Einsicht in die Kontounterlagen. Die Summe, die José in einem langen Leben aus
Almosen zusammengetragen hatte, ließ Félix schaudern. Einhundertachtzigtausend
Reis! Das war genug, um alle Schulden zu begleichen, um neue Regale für den
Laden und für zu Hause ein großes Ehebett, eine Wiege und ein gepolstertes Sofa
anzuschaffen! Zum Teufel auch, warum hatte José seinen Reichtum verheimlicht?
Mit dem Geld hätte der Alte bequem wohnen, sich neu einkleiden, ein Pferd
kaufen können! Und Félix hätte davon einen richtig vornehmen Sarg kaufen und
einen marmornen Grabstein aufstellen lassen können! Ah, das würde er als Erstes
tun: das einfache Holzkreuz durch einen prachtvollen Grabstein ersetzen, auf
dem ein Medaillon mit Josés Bild angebracht und ein schöner Spruch eingraviert
werden sollte, etwas Erhabenes wie »Hier ruht José da Silva, treuer Sklave seines
Herrn, demütiger Diener seines Schöpfers«. Fernanda überzeugte Félix jedoch
davon, dass ein anderer Spruch passender wäre. Und als Félix endlich die Worte »Möge
er Glück haben auf seiner Kutschfahrt in den Himmel« auf dem Grabstein las,
wischte er sich verstohlen eine Träne aus den Augen.
    Seine Trauer um José wurde von der überwältigenden
Freude über die Geburt seines Stammhalters abgelöst. Am Morgen des 1. Januar
1891 brachte Fernanda in einem kurzen, unkomplizierten, aber schmerzvollen
Kraftakt und nur mit Hilfe einer Hebamme, die ihren Silvesterrausch noch nicht
ganz ausgeschlafen hatte, einen Sohn zur Welt. Es war ein strammes Kerlchen mit
einer nervtötend lauten Stimme, über die sich Félix besonders freute – er hatte
neun Monate lang befürchtet, Stummheit könne erblich sein. Auf den Namen hatten
Fernanda und er sich bereits lange vorher geeinigt: Ein Mädchen hätten sie
Felicidade genannt, den Jungen tauften sie Felipe. »Fé«, mittlerweile ein
florierendes Geschäft, sollte schließlich eines Tages von ihrem Kind übernommen
werden.

XXX
    Die Brillanz der Farben ist faszinierend.«
    »Ein wenig grell, ein wenig zu bunt – ganz wie
es der Natur dieses Landes entspricht, nicht wahr?«
    »Der Himmel ist von einem beinahe überirdischen
Blau, die Flora von einem Grün, wie man es nur in den Tropen findet.«
    »Wenn überhaupt.«
    »Und in dem leuchtenden Rosé des Kleides hat der
Künstler geschickt die Wärme – die der Bewohner dieses großartigen Landes wie
die der Luft – gebündelt.«
    »Er hätte sich besser eines dunklen Orangetones
bedient, um der Gluthitze gerecht zu werden.«
    Mario Gianecchini sah León zwinkernd an. »Mir
scheint, mein Lieber, dass Sie mein Lob nicht ganz ernst nehmen.«
    »Mir ist klar, dass Sie nur höflich sein wollen.
Dieses Gemälde ist scheußlich, und wir beide wissen es.«
    »Aber nein, es gefällt mir. Nur die Perspektive
scheint mir ein wenig verzerrt.«
    Das war noch stark untertrieben. Ihr Haus, vor
dem Vitória und León Castro abgebildet waren, war auf dem Gemälde umrahmt vom
Zuckerhut zur rechten und von der Glória-Kirche zur linken Seite, während
hinter dem Haus, leicht verschwommen, sowohl ein Strand als auch der Gipfel des
Corcovado zu sehen waren. Der Künstler hatte in seinem Bestreben, die
Besonderheit der Lage einzufangen, die Geografie Rios munter verfälscht. Und
das war beileibe nicht alles, was er geschönt hatte. Vitória, in einem viel

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