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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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unzählige Mietkutschen bereitstanden. »Du brauchst mich
jetzt nicht mehr zu tragen«, sagte sie, »da vorn kann ich einen Wagen nehmen,
der mich zurück in die Zivilisation bringt.«
    León ließ Vitória herab, doch als ihre Füße den
Boden berührten, verzog sie vor Schmerz das Gesicht. Ihr verflixter Knöchel –
bestimmt war er gebrochen! León sagte nichts. Er hob sie einfach wieder hoch
und trug sie zu dem Platz.
    Ein ungepflegter Schwarzer wies ihnen den ersten
Wagen einer Kolonne zu, doch León befand mit einem Blick auf das Gefährt, dass
er es nicht nehmen würde. Der Anweiser und der Kutscher machten ein Mordsgezeter,
doch León hob Vitória bereits in einen Wagen, der ihm vertrauenswürdiger
erschien.
    »Danke für diesen unvergesslichen Geburtstag«,
sagte Vitória. »Mach dir meinetwegen keine Umstände. Geh wieder zu deinem
Karnevalsumzug und vergnüge dich mit deinesgleichen.«
    »Soll dich etwa der Kutscher ins Haus tragen?
Kannst du ihn überhaupt bezahlen?«
    Vitória kapitulierte. Mit ihrem schmerzenden Fuß
und ohne einen Vintém in der Tasche musste sie wohl oder übel noch länger die
Gesellschaft Leóns ertragen. León gab dem Fahrer durch das Fenster Anweisungen
und steckte ihm eine Geldnote zu, dann fuhr die Kutsche mit einem Ruck an.
    Er nahm gegenüber von Vitória Platz, zog ihr das
Lackstiefelchen sowie den Strumpf aus und legte ihren verletzten Fuß zwischen
seine Knie, um ihn zu untersuchen.
    »Das ist nur halb so schlimm. Was musst du auch
in hohen Schuhen solche gewagten Sprünge machen, Sinhá?«
    Er wartete vergeblich auf eine beleidigende
Antwort. Vitória hatte, von dem Bild seiner großen braunen Hand auf ihrem unförmig
angeschwollenen Fuß, von dem vorsichtigen Kreisen seiner Finger und von der
Sanftheit seiner Stimme gerührt, schon wieder angefangen zu weinen.

XXIX
    Fernanda setzte ihr Ziel in die Tat um: Sie
heiratete. Die Hochzeit gehörte zu den schönsten Festen, die je in Quintino
gefeiert worden waren. Der Bräutigam in seinem neuen Anzug und die Braut, in
einem schlichten weißen Kleid und mit Jasminblüten im Haar, gaben ein wunderschönes
Paar ab. Ein Junge aus dem Viertel, der bei einem Fotografen in die Lehre ging,
hatte sich die Ausrüstung seines Chefs für diesen Tag »ausgeliehen« und hielt
das strahlende Brautpaar unter dem alten Mangobaum im Bild fest wie sich später
zeigen sollte, war die Fotografie so gut gelungen, dass der Dienstherr des
Jungen sie als seine eigene ausgab und damit den ersten Preis bei einem
Wettbewerb gewann. Im Garten hinter Fernandas Häuschen war eine lange Tafel
aufgebaut worden, auf der sich Unmengen an kalten und warmen Speisen türmten,
die Nachbarn und Freunde mitgebracht hatten. An einem primitiven
Holzkohlengrill briet der Wirt der Schänke, die heute geschlossen blieb, Würste,
Schweinerippen und riesige Gambas, die ein befreundeter Hafenarbeiter einem
Fischer abgeschwatzt hatte. Eine dreiköpfige Kapelle spielte mit Akkordeon,
Trommeln und Gitarre zum Tanz auf, die jungen Capoeira-Tänzer gaben Kostproben
ihrer akrobatischen Kunststücke, die Mädchen aus dem Chor sangen ein paar
freche Lieder, die sie keinesfalls in der Kirche gelernt haben konnten. José saß,
klaren Geistes, in seiner zerschlissenen, aber gut ausgebürsteten
Kutscheruniform in einer Ecke des Gartens und flirtete ungeniert mit Luiza, die
sich eigens frei genommen hatte, um an diesem Fest teilzunehmen. Es heiratete
ja nicht alle Tage ein früherer Sklave von Boavista.
    Félix war der glücklichste Mensch auf Erden.
Keine Sekunde ließ er seine Braut aus den Augen, die aufgeregt von einem Gast
zum nächsten schwirrte, ausgelassen mit ihnen lachte, sich von den Männern küssen
und von den Frauen bewundern ließ und zwischendurch immer komplizenhafte,
verlockende Blicke zu Félix hinüberwarf. Sie hatte es mit der Hochzeitsnacht
genauso eilig wie er.
    Gegen Abend, als es bereits dämmerte, in den Schüsseln
und Platten auf dem Tisch schon tote Mücken lagen und viele der Gäste müde auf
den Holzbalken saßen, die Fernanda genau zu diesem Zweck rund um den Garten
platziert hatte, kamen zwei verspätete Gäste, über deren Erscheinen sich Félix
und Fernanda besonders freuten. León und Dona Doralice umarmten die beiden
herzlich und überschütteten sie mit guten Wünschen sowie anzüglichen Ratschlägen.
Aber davon hatten Félix und Fernanda heute schon so viele gehört, dass sie
nicht einmal mehr verschämt zu Boden blickten. León und Dona Doralice

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