Ana Veloso
Quartier, die Männer folgen Carlos.«
Während sie dem Mann nachtrotteten, trat ein
anderer Junge an Félix heran und fragte ihn leise, wie alt er wirklich sei. Félix
zeigte ihm vierzehn Finger.
»Du bist erst vierzehn? Jesses! Ich habe dich
unterwegs beobachtet. Du bist ganz schön groß. Und mutig.«
Félix sah den Jungen unglücklich an. Sein Mut
hatte ihn in dem Augenblick verlassen, als Gregório ihn beim Lügen ertappte. Er
würde weniger verdienen als andere, obwohl er sicher genauso gut arbeitete, und
er würde Schikanen ausgesetzt sein, weil viele Männer lieber auf Jüngeren
herumhackten statt auf ihresgleichen. Mit vierzehn galt man noch als halbes
Kind, mit sechzehn als Mann. Ihre Unterkünfte waren äußerst primitiv. Ein großes,
eingeschossiges Nutzgebäude war mit einfachen Trennwänden aus Holz in rund zwei
Dutzend Kammern aufgeteilt worden. In jeder davon hausten drei bis vier Männer.
Der Boden war mit Stroh ausgelegt, als Schlafstatt dienten Kaffeesäcke, die mit
Stroh gefüllt waren.
Carlos wies Félix und dem anderen Jungen, Lauro,
die kleinste Kammer zu.
»Hier wohnt ihr, zusammen mit Guga und Matias.
Die beiden sind ungefähr in eurem Alter. In ein bis zwei Stunden kommen sie zurück
von den Feldern, dann werden sie euch erklären, wie hier alles läuft.«
Dann reichte Carlos jedem der beiden Jungen
einen Beutel, der mit Lebensmitteln gefüllt war. »Das müsste für heute reichen.«
Félix öffnete den Beutel. Brot, ein Stück Käse, ein paar Orangen und Bananen
waren darin, außerdem Reis und Bohnen sowie eine Scheibe Speck. Aber ohne
Kochgeschirr würden sie nichts kochen können. Er nahm das Brot und den Käse und
schlang beides hastig hinunter. Lauro tat es ihm nach.
»Hier gefällt's mir. Speck! Und eine Kammer zu
viert – auf Santa Clara gab es das nicht.«
Félix beneidete ihn. Er selber fand sowohl die
Essensration als auch die Unterbringung unsäglich. Aber daran würde er sich
wohl gewöhnen müssen. In der Gruppe, mit der er hierher gekommen war, war er
der einzige Haussklave gewesen. Aber er würde sich hüten, das irgendjemandem zu
erzählen, denn sonst würden die anderen über ihn herfallen wie die Wölfe. Die
Rivalität zwischen Haus- und Feldsklaven war groß, und Félix nahm an, dass auch
die Freiheit nichts daran änderte.
Sofort nach seinem frugalen Mahl überfiel ihn
bleierne Müdigkeit. Er rückte drei Säcke so zusammen, dass er bequem darauf
liegen konnte, und schlief auf der Stelle ein. Zwei Stunden später wurde er
unsanft geweckt.
»He, du liegst in meinem Bett!«, beschwerte sich
ein korpulenter Mulatte, den Félix für wenig älter hielt, als er selber war. Félix
blinzelte ihn an, gähnte und rührte sich nicht vom Fleck. Er war so
zerschlagen, dass er das Gefühl hatte, nie wieder aufstehen zu können. Doch als
der Junge ihn in die Seite trat, rappelte Félix sich auf. »Tu das nie wieder,
verstanden? Das da«, und dabei deutete er auf eine Ecke, in der ein wenig Stroh
aufgehäuft war, »ist dein Platz.« Lauro war ebenfalls geweckt und seines Bettes
verwiesen worden.
»Ihr wollt alle Säcke für euch behalten, und wir
sollen auf diesem kümmerlichen Rest schmutzigen Strohs liegen? Nicht mit mir.«
Damit griff sich Lauro einen Kaffeesack und zog ihn hinüber in die Ecke, die
man ihm zugewiesen hatte.
»Das ist hier so üblich. Wir haben die älteren
Rechte«, antwortete der Dicke, zu dem sich inzwischen ein weiterer Junge
gesellt hatte, ein tiefschwarzer, sehniger Bursche, dessen Aussehen etwas
Wildes hatte und der so wirkte, als ließe er nicht mit sich spaßen. Félix
verzog sich in die ihm zugewiesene Ecke, aber Lauro hatte sich mit der
Ungerechtigkeit noch nicht abgefunden. Er zeterte und beschimpfte die beiden,
bis der Dicke ihn wegschubste und sich einfach die Säcke nahm. Félix wusste,
dass die Situation eskalieren würde, und verharrte reglos in seiner Ecke.
Gleich am ersten Tag eine Schlägerei, das wäre kein gutes Omen. Doch als Lauro
immer lauter wurde und schließlich dem Dicken einen Stoß versetzte, fielen die
beiden Burschen über ihn her. Der Dicke hielt Lauro fest, der Sehnige schlug
ihn brutal in die Magengrube und ins Gesicht und trat ihm zwischen die Beine.
Lauro stöhnte vor Schmerzen. Das war zu viel für Félix. Er hätte gern um Hilfe
gerufen oder die beiden Kerle angeschrien, aber beides wäre ohnehin nutzlos
gewesen. Die anderen Männer in dem Gebäude schien es nicht zu interessieren,
was in den einzelnen Kammern
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