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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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er
erbat bei dem Gott der Weißen Beistand. Im Geiste sprach er so viele Ave Maria
und Vaterunser wie nie zuvor in seinem Leben. Und das mit Erfolg: Als sie eines
Tages von einer Patrouille des Kaisers angehalten und nach ihrem Ziel befragt
wurden, hatten seine stillen Gebete bestimmt dazu beigetragen, die Soldaten von
der Ordnungsmäßigkeit ihrer Reise zu überzeugen.
    »Alles Sklaven des Senhor Azevedo«, erklärte Zé
ihnen und zog einen offiziell wirkenden Schrieb aus der Tasche. Darin stand,
dass Senhor Azevedo, Herr der Fazenda Santa Maria und als berühmter Veteran des
Paraguay-Krieges auch ein guter Freund des Kaisers, diese Sklaven, die er alle
namentlich benannte, seiner Tochter und seinem Schwiegersohn überließ, die auf
ihrer Fazenda in Minas Gerais dringend weiterer Hilfskräfte bedurften.
    Die Soldaten wirkten skeptisch, untersuchten das
Dokument, fragten A nach Details, sprachen sogar einige der Sklaven an, wohl in
der Hoffnung, diese würden die wahren Umstände ihrer Reise verraten. Es gab zu
viele entflohene Sklaven, und die Belohnung für ihre Ergreifung war ansehnlich.
Doch auch nach ihrer halbstündigen Vernehmung hatten die Soldaten nichts zu
Tage fördern können, das As Version widersprochen hätte, und ließen von ihnen
ab. Félix bekreuzigte sich.
    Am elften Tag erreichten sie Esperança. Auf den ersten
Blick machte die Fazenda ihrem Namen, »Hoffnung«, wenig Ehre. Die casa
grande war viel kleiner, als Félix es von den Herrenhäusern im Vale do Paraíba
gewohnt war. Es gab weder eine Allee mit Königspalmen, noch sah man irgendein
anderes Anzeichen für Reichtum. Auf diesem elenden Hof sollten sie bleiben? Die senzalas wirkten schäbig, im Hof wucherte Unkraut. Ein klappriges
Pferdefuhrwerk stand vor dem Aufgang zum Herrenhaus und vervollständigte den
Eindruck von Armut. Einzig Lulu, ihr Führer auf dem zweiten Teil der Strecke,
freute sich, als sie ankamen. Herzlich umarmte er einen alten Mulatten, der gar
nicht in die Umgebung zu gehören schien.
    »Das«, sagte Lulu, »ist Gregório. Er wird euch
alles zeigen und erklären. Er ist so eine Art Aufseher. Denn auch wenn ihr ab
sofort keine Sklaven mehr seid, so müsst ihr euch doch an gewisse Regeln
halten. Tut also besser, was er sagt.«
    Gregório wandte sich an die Neuankömmlinge. »Willkommen
auf Esperança. Ich sehe euch die Enttäuschung an, aber glaubt mir: Sobald ihr
geschlafen und gegessen habt, gefällt es euch hier schon viel besser. Und wenn
ihr den ersten Lohn in Händen habt, werdet ihr euer Heimweh ganz schnell
vergessen. Wir sind hier rund einhundertfünfzig Leute, alles ehemalige Sklaven.
Jeder Einzelne von uns kann nachvollziehen, wie ihr euch jetzt fühlt. Aber kein
Einziger von uns hat seine Entscheidung je bedauert.«
    Der weißhaarige Mann betrachtete aufmerksam die
Gesichter der Neuen. Sein Blick blieb an Félix hängen, der seinerseits den
Alten fixierte. Was für eine komische Gestalt, in diesem abgetragenen roten Überrock
und mit den ausgetretenen Schuhen, die einmal Lackschuhe gewesen sein mussten!
    »Du da, was glotzt du?«
    Félix fühlte sich ertappt. Er hob fragend die
Schultern und deutete mit eine Geste an, dass er nicht sprechen konnte.
    »Du musst der Kerl von Boavista sein. Stimmt's?«
    Félix nickte.
    »Aber außer einer Stimme fehlt dir nichts, oder?«
    Félix schüttelte den Kopf. Er tippte sich erst
an die Stirn, dann zeigte er auf seinen Bizeps.
    »Aha, du hältst dich also für schlau und stark.
Das ist gut, solche Leute brauchen wir. Wie alt bist du?«
    Wenn Félix jetzt wahrheitsgemäß mit vierzehn
antwortete, dann kostete ihn das vermutlich bares Geld. Er hatte gehört, dass
nicht Leistung allein Grundlage für den Lohn war, sondern auch das Alter. Er
zeigte dem Alten erst zehn, dann sechs Finger. Das würde man ihm abnehmen.
    »Was wir hier nicht gebrauchen können, sind Lügner.«
Gregório sah Félix durchdringend an und wandte sich dann an alle. »Ihr musstet
lügen, um es hierher zu schaffen. Ihr müsst weiterhin lügen, um eure Freiheit
nicht zu gefährden. Aber wagt es nicht, hier auf Esperança die Unwahrheit zu
sagen. Und mir gegenüber müsst ihr besonders ehrlich sein. Ich weiß mehr über
euch, als ihr denkt. Ich kenne euch besser, als ihr euch selbst kennt. Wenn ihr
euch auch nur den Ansatz einer Lüge herausnehmt, werdet ihr es schwer hier
haben. Hat das jeder verstanden?«
    Alle nickten.
    »Aber jetzt könnt ihr euch erst einmal ausruhen.
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