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Analog 04

Analog 04

Titel: Analog 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Joachim Alpers , Hans Joachim (Hrsg.) Alpers
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für dich veranstalten, du Arsch!“
    Er glotzte mich an.
    „Du hängst dort jetzt schon seit Jahren herum, und du weißt, daß ich recht habe. Jeder Mann und jede Frau, die dort in Frage kommen, ist bereits Blutspender, darauf achtet der Doc – willst du mir vielleicht weismachen, daß sie einem Mann, der mitten in der Nacht sein warmes Bett verläßt und die Aufdeckung seines Geheimnisses riskiert, um einem Jungen das Leben zu retten, nicht einen halben Liter oder so von ihrem Blut gönnen würden?“
    Er begann, trunken zu kichern. „Weißt du was … hihi … ich glaube, du hast recht.“ Das Kichern enthüllte seine großen Zähne. Plötzlich verschwand es. „Oh“, rief er, „ich verdiene solche Freunde nicht. Weißt du, was mich zum erstenmal in Callahans Kneipe gelockt hat? Dort hängt kein Spiegel. Nein, nein, das ist ein alberner Aberglaube – Leute wie ich sehen sich so gut im Spiegel wie jeder andere. Das ist es ja. Ich habe mich geschämt, mein Bild im Spiegel zu anzusehen.“
    Ich brachte ihn dazu, mich anzusehen. „Pjotr, hör mir zu. Du hast in den letzten Jahren für deine Brötchen hart gearbeitet. Du hast eine Menge Vollidioten daran gehindert, in der Unfallstatistik zu enden. Na gut, vielleicht hattest du noch ein Motiv, das wir nicht kannten, aber unter alldem geht es dir genauso wie allen anderen in Callahans Kneipe.“
    „Wie bitte?“
    „Du lebst von deinen Freunden.“
    Das sah er Gott sei Dank ein, und alles kam zum Schluß in Ordnung.
    Und zwei Wochen später spielte Pjotr uns allen einige rumänische Volkslieder vor – auf Lady Macbeth.
     
    PYOTR’S STORY
    by Spider Robinson
    aus ANALOG October 12,1981
    Übersetzung: Wolfgang Crass
     

Somtow Sucharitkul
 
Verbanne noch dich von der Seligkeit …
 
    Sie erinnern sich doch sicher noch an Stille, oder?
    Einst gab es viele Arten von Stille: Stille vor einer großen Rede, Stille, bevor ein donnernder Applaus losbricht, Stille nach Gelächter. Nun ist die Stille für immer verschwunden. Lauscht man an den Stellen, an denen früher Stille herrschte, hört man ein leises, eindringliches Summen, wie von einem Schwärm weit entfernter Fliegen, das das Ende der Einsamkeit des Menschen verkündet …
    Bei mir hat es sich folgendermaßen abgespielt: Es war Premierenabend, Hamlet starb gerade, und ich sah von den Kulissen aus zu, denn als Guildenstern war ich natürlich schon tot. Ich wollte sowieso bis zum Schlußvorhang warten, obwohl ich wußte, daß das Publikum mich nicht bemerken würde. Es war noch nicht allzu lange her, seit ich meine erste Rolle bekommen hatte, und ich war neu in New York. Hier aber drehte sich alles um Sir Francis FitzHenry, der mit seinem neuen Titel, der an ihm klebte wie Einwickelpapier, zu horrenden Kosten aus England herangeholt worden war.
    Alles andere war so billig wie möglich, ich eingeschlossen. Die Bühne war streng ohne Kulissen aufgebaut, scheinbar, um dem Modernismus zu huldigen, aber in Wirklichkeit, weil die Geldgeber kein Geld mehr hatten, nachdem sie FitzHenry´s Vorschuß bezahlt hatten. Daher lag Sir Francis auf einer leeren Bühne, auf der außer einem alten ledernen Lehnsessel als Thron für Claudius und einem grellen grünen Scheinwerferspot auf Hamlet nichts zu sehen war. Nicht daß es da etwas von dem Avantgarde-Unsinn frei nach Joseph Papp gegeben hätte. Alles war reell. Ich selbst hatte nicht verstehen können, was die Leute an Sir Francis FitzHenry fanden, bis ich ihn persönlich erlebte – ich hatte ihn bisher nur in dem lächerlichen Ben Hur -Remake von Fellini gesehen –, aber er war eine Granate, genau das richtige für die alten jüdischen Damen.
    Da lag er also und brachte seine letzten Worte so herzzerreißend, daß ich fast in einem Meer von Kunsthonig ertrunken wäre. Er stellte sich in elaboraten Posen dar, die direkt von der Akropolis stammen könnten, und jeder jambische Pentameter hörte sich bei ihm so an, als seien es die New Yorker Philharmoniker und der Tabernakelchor der Mormonen zur gleichen Zeit. Es ging ihnen ein wie Butter. Na ja, der letzte Trend lief nicht mehr in Richtung der wirklich modernen Interpretationen. Er war ein Triumph der alten Schule und machte dort auf der Bühne die anderen Schauspieler zu Pappmache-Dekorationen um ihn herum.
    Er hatte die eine Stelle gerade erreicht, Sie wissen ja:
    „Verbanne noch dich von der Seligkeit …
    Um mein Geschick zu melden“
    und wollte gerade mit perfekter Grazie in Horatios Arme sinken. Man konnte spüren,

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