Analog 05
das irdische Gegenstück dieses Medizinstudenten ein etwa zehn- bis elfjähriger Junge sein mußte. „Ich danke dir für die Informationen“, sagte er hastig, dann fügte er noch hinzu: „Wie lange wird es dauern, bis du ein voll qualifizierter Medizinsklave sein wirst?“
Wieder stellten alle die Arbeit ein und gaben unübersetzbare Laute von sich. Er überprüfte seine Frage ängstlich nach ungewollter Kritik oder verborgenen Anschuldigungen, konnte aber keine entdecken. Um die Situation wieder zu bereinigen, sagte er daher das erste, was ihm in den Sinn kam.
„Ich würde gerne einige Fragen hinsichtlich meiner Person beantworten und euch mein Schiff zeigen.“
Sie sahen ihn alle schweigend an. Das dauerte fast eine Minute, bis schließlich ein junger Teldier das Wort ergriff.
„Wann, Senior?“
„Ich habe nicht die Absicht, eure Studien- oder Ruheperioden zu stören“, sagte er. „Wäre morgen früh passend?“
Als sie einige Minuten später wieder im Korridor waren, fragte Martin: „Habe ich etwas Falsches gesagt?“
Skorta gab einen unübersetzbaren Laut von sich. „Sie hätten dein Schiff ohnedies aus der Ferne begutachtet. Nun aber hast du eine Einladung deines Meisters ausgesprochen, die Maschine eingehender zu untersuchen und Fragen zu stellen. Diese Einladung erstreckt sich natürlich auch auf die Schüler anderer Klassen. Ich hoffe doch, Fremder, daß dein Schiff stabil genug gebaut ist.“
Martin wollte gerade verneinen, daß sein Meister durch ihn eine Einladung ausgesprochen hatte, doch dann wurde ihm klar, daß ein einfacher Sklave wie er niemals so anmaßend sein konnte, diese ohne Einwilligung auszusprechen.
„Du mißverstehst mich“, sagte er. „Ich fragte, ob ich etwas Falsches gesagt habe, als ich den Medizinstudenten nach seiner Ausbildungszeit fragte. Auf meiner Welt müssen die Studenten ein Sechstel ihrer Lebensspanne mit Lernen verbringen, ehe sie zum erstenmal praktizieren dürfen . Manche von ihnen studieren dann ihr ganzes Leben lang weiter und entdeckten dabei viele neue Heilmethoden.“
„Was für eine seltsame Vorstellung“, sagte der Teldier und blieb vor dem Eingang zum nächsten Klassenzimmer stehen. „Du hast recht, Martin, ich habe dich nicht verstanden. Deine Frage an den Studenten war eine unsinnige Frage. Die Abzeichen der Besitzer werden in der Schule nicht getragen, da man die Studenten als zu unwissend betrachtet, um gute Schüler zu sein, aber der einzige anwesende Medizinstudent war der Lehrer. Die Studenten werden einmal, wenn mich meine Erinnerung nicht im Stich läßt, den Meistern der Landwirtschaft, Kommunikation und Friedenssicherung gehören. Medizinische Sklaven sind unweigerlich Lehrer, und nach neuem medizinischem Wissen darf nur gemäß Anweisung des Meisters der Medizin gesucht werden.
Verletzungen und Krankheiten scheinen auf deiner Welt nicht sehr weit verbreitet zu sein“, fuhr Skorta fort, „wenn Studenten soviel Zeit damit vergeuden können, ausschließlich Medizin zu studieren. Auf Teldi studieren wir das, sobald wir schreiben, lesen und rechnen können. Auf Teldi sind Verletzungen und Krankheiten eine Alltäglichkeit. Auf Teldi ist jeder ein Arzt.“
Sie waren kaum mit der Besichtigung der Klassenzimmer fertig, da betrat der Teldier einen langen Saal mit hoher Decke, dessen gegenüberliegende Wand fast zweihundert Meter entfernt war. An dieser Wand konnte Martin undeutlich im Dämmerlicht der Pflanzen einen erhobenen Thron oder Altar sehen, der mit Stoffbahnen drapiert war.
„Dies ist der Saal der Ehre“, erläuterte Skorta und begann, langsam auf die gegenüberliegende Wand zuzuschreiten. „Hier erneuern die Sklaven jeden Tag ihren Treueeid gegenüber unseren Meistern, hier erfahren sie Bestrafungen bei Ungehorsam, und hier ist auch der Ort, wo sie einmal jährlich in einen höheren Status erhoben werden können.“
Das war nicht immer der Saal der Ehre für die Sklaven gewesen, dachte Martin entzückt, während er die geschwungene Decke und die in regelmäßigem Abstand verlaufenden Tunnelzugänge betrachtete, und zwar dort, wo sie sich bogenförmig bis zum Boden herab erstreckten. Er bat Skorta, den Helmscheinwerfer benutzen zu dürfen, was ihm erlaubt wurde.
Dieser zeigte ihm breite Korrosionsspuren, die am Fußboden bis in die Tunnels verliefen. Sie deuteten mehr auf Schienen als auf Kupferverkabelungen hin. Die Wände waren ebenfalls mit Spuren des Verfalls überzogen, und während sie auf den Altar zugingen,
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