Analog 07
herausfinden können, welche neue Drohungen dies zu bedeuten hat.“
Unter dem Blick seiner Marschälle konnte Napoleon nicht anders als rigoros sein. „Wahrhaftig“, sagte er bedauernd. „Monsieur le Duc, wenn Ihr das seid und Eure Absichten ehrbar sind, werdet Ihr eine formelle Entschuldigung erhalten. Derweil aber bin ich leider gezwungen, wofür Ihr sicher Verständnis haben werdet, Euch in Haft zu nehmen. Es wird jedoch eine ehrenhafte Haft sein, ganz gleich, ob wir Euch hinterher vor das Erschießungskommando stellen müssen.“ Zu den Soldaten: „Enfermez-il, mes enfants.“
Wie betäubt dachte Alex noch daran, daß sein Image verlangte, sich – zu stoisch, um zu protestieren – festnehmen zu lassen.
Zuerst nahm Napoleon sein Schwert an sich, dann wurde er unter Sniths gehässigen Anleitungen nach Waffen und Funkgeräten durchsucht. Hätte er nur ein portables Funkgerät mitgenommen, dachte er verzweifelt, dann hätte er Brob anrufen können, als ihm die Situation entglitt. Der Gigant hätte ihn sanft, aber bestimmt befreien können. Warum waren ihm nur so einfache Vorsichtsmaßnahmen nicht früher eingefallen? Ein feiner Geheimagent war er! Die Entschuldigung, daß er eigentlich gar kein Geheimagent war und zu viele Dinge um die Ohren gehabt hatte, klang auch für ihn wenig überzeugend.
Die Schwadron führte ihn zu einem nahe gelegenen Bauernhaus. Die Familie wurde daraus vertrieben, doch beschwerte sich niemand, da der Imperator Entschädigung für alle entstehenden Unannehmlichkeiten zugesichert hatte. Alex hatte oft daran gedacht, daß die Hokas eine viel sanftmütigere Rasse als die Menschheit waren. Vielleicht kam ein Theologe zu der Überzeugung, daß sie ohne Erbsünde waren. Aber diesen Sachverhalt machten sie durch zuviel Originalität in anderen Bereichen wieder wett.
Das Haus war im Grunde genommen kaum mehr als eine Hütte. Eine Tür führte ins Wohnzimmer, das gleichzeitig als Eßzimmer diente, des weiteren gab es eine Küche, eine Waschküche und zwei Schlafzimmer, deren Türen sich in einem schmalen Flur befanden. Der Boden bestand aus Ton, Möbel gab es kaum, und wenn, dann waren sie meist handgefertigt. Nachdem die Fenster von außen verbarrikadiert worden waren, bestand die einzige Lichtquelle aus ein paar Kerzen im hölzernen Halter.
„Ich selbst habe die Ehre, die erste Wache vor Eurer Tür halten zu dürfen“, sagte der Anführer. „Korporal Sans-Souci steht Eurer Lordschaft zur Verfügung. Karl, mon brave, ich belohne deinen esprit und deine Englischkenntnisse damit, daß ich dich an der Nordtür postiere.“
„Vielen Dank, mein tapferer Korporal“, antwortete der kleine deutsche Grenadier. „Sollte es dem Herzog Wellington Vergnügen bereiten, die militärischen Wissenschaften mit mir zu diskutieren, möge er bitte einfach die Türe öffnen.“
Sans-Souci platzte fast vor Eifersucht. „ Monsieur le Duc ist ein Mann feinster Denkungsart, non ?“ erwiderte er. „Sollte es ihm Freude bereiten, seine Eroberungen auf dem Felde der Liebe preisgeben und meine gleichfalls hören zu wollen, so wird auch meine Tür offenstehen.“
„Nein, vielen Dank“, sagte Alex, taumelte in die Hütte und sperrte sie persönlich ab. Er wußte, daß die beiden Soldaten zwar gerne stundenlang mit ihm geschwatzt, ihm aber niemals erlaubt hätten, sich zu entfernen. Trotz ihrer geringen Größe waren Hokas kräftiger als Menschen, und diese beiden schienen von einem besonderen Pflichtbewußtsein beseelt zu sein.
Alex nahm auf einem Hocker Platz, stemmte die Ellbogen auf die Knie und stützte den Kopf mit den Händen auf. Was für ein schreckliches Durcheinander! Da die Briten in der Minderzahl waren, konnten sie nichts zu seiner Rettung unternehmen. Versuchten sie es, wurden sie niedergemetzelt, und genau das wollte Snith. Brob … Nein, Alex’ Gedanke an den Außerirdischen war irrig gewesen. Kanonen und Kugeln konnten ihm nichts anhaben, aber Snith hatte sicher Energiewaffen, die sogar den Raumfahrer töten konnten.
Konnte er, Alex, Napoleon dazu überreden, ihn freizulassen? Wahrscheinlich konnte er das – beispielsweise durch einen Appell an den Sinn für diplomatische Feinheiten des Imperators –, aber der dreimal verfluchte Snith war im Wege. Der Krat hatte die Fäden in der Hand, er konnte den Menschen ins Zwielicht bringen, zumal dieser bei den Franzosen ohnedies ein wenig zweifelhaft war (wie bei sich selbst übrigens auch). Wenn Alex nicht wirklich erschossen wurde, so
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