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Analog 08

Analog 08

Titel: Analog 08 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Joachim Alpers , Hans Joachim (Hrsg.) Alpers
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wenig schlampig aussah, der Frau eines Kongreßabgeordneten aber niemals.
    Sie setzte sich vor den Spiegel und dachte an alles, was sie zu tun hatte. Es war vieles, das durch den Knoten in ihrem Magen nicht gerade leichter gemacht wurde. Besorgt war sie aber nicht. Etwas nervös, das war normal, aber nicht besorgt. Der Kongreßabgeordnete hatte schon immer zu den Gewinnern gehört. Fiorello Delano Fitzgerald O’Hare, seit einem halben Jahrhundert plus einem Jahr acht Monaten und einer Woche Diener des Volkes, war wie geschaffen für die Politik und für sie so maßgeschneidert wie jeder Roboter, aber mit dem zusätzlichen Vorsprung (eigentlich sollte man es keinen Vorsprung nennen, dachte sie schuldbewußt), ein Mensch zu sein. Er hatte den Namen dafür. Er hatte das freundliche, vertrauenswürdige Aussehen und genügend boshafte Schalkhaftigkeit, um ihn interessant zu machen. Er benahm sich immer so, daß alle dreißigtausend Personen des Wahlkreises das Gefühl hatten, mit dem Kongreßabgeordneten persönlich bekannt zu sein, vor allem aber hatte er die Disposition. Ihm machten verschiedene Dinge tatsächlich Spaß, etwa Hähnchen bei Dinners der B’nai B’rith zu essen, bei Feuerwehrbällen Square Dance zu üben und mit der Policemen’s Benevolent Association ein gemeinsames Frühstück einzunehmen. Manchmal stand er sogar um fünf Uhr morgens auf, um zum Fabriktor zu gehen und den neunhundert Arbeitern der Frühschicht die Hände zu schütteln. Für die Frau des Kongreßabgeordneten waren derlei Dinge oft weniger angenehm, doch fand sie ungetrübten Gefallen am Kongreßabgeordneten selbst. Denn er war ein sanfter Mann.
    Carrie Madeleine O’Hare war gleichfalls eine sanfte Frau. Das ersah man schon an der Art, wie sie mit dem Mädchen sprach und hinter ihm saubermachte. Carrie hatte schon seit ihrer Heirat vor vierzig Jahren dasselbe Mädchen. Der Kongreßabgeordnete war fünfunddreißig Jahre alt gewesen, Carrie selbst zweiundzwanzig und das Mädchen ein Hochzeitsgeschenk, frisch vom Fließband, ein altmodischer Roboter, dessen Gehirn noch aus einer zentralen Datenverarbeitungseinrichtung bestand – keine Persönlichkeit und keine Gefühle, die man verletzen konnte. Aber Carrie behandelte den Roboter genauso, wie sei einen Menschen behandelt hätte – oder eine der neuen Josephson-Junction-Maschinen, die so sehr wie Menschen waren, daß man ihnen sogar das Wahlrecht eingeräumt hatte … wofür sie sich größtenteils beim Kongreßabgeordneten zu bedanken hatten, und hoffentlich, dachte Carrie, vergaßen sie das kommenden November nicht.
    Carries Vorbereitungen beschränkten sich vorerst auf Haar, Makeup und Unterwäsche – es war sinnlos, das Kleid anzuziehen, bevor sie gingen, und bislang war der Arzt des Kongreßabgeordneten auch noch nicht zu seiner traditionellen Untersuchung erschienen. Daher streifte sie irgendein Kleid über und ging über die Hintertreppe zu der abgeschirmten Veranda, um Luft zu schnappen. Das dreistöckige Haus war uralt. Es stand auf einem kleinen Hügel in einer Biegung des Flusses und war daher von beiden Seiten von Wasser umgeben. Es wäre ein herrliches Haus gewesen, um Kinder darin großzuziehen – aber sie hatten keine Kinder –, doch auch ohne Kinder war es ein erstklassiges Haus für einen Kongreßabgeordneten. In all den Jahren, als „klein“ Mode und Status gewesen war, hatte der Kongreßabgeordnete auf den sechzehn Zimmern bestanden, weil man darin so herrlich Partys feiern, Delegationen von Stimmberechtigten empfangen und zu Besuchen weilende politische Funktionäre und andere Persönlichkeiten unterbringen konnte. Carrie saß auf der Hollywoodschaukel und stellte fest, daß sie zitterte. Das lag kaum an der Temperatur. Nach dem alten Fahrenheitsystem, das Carrie im Kopf immer noch benützte, betrug sie etwa fünfundsiebzig Grad. Es war noch Sommer. Doch der Wind machte sie frösteln. Und das war seltsam, dachte man darüber nach. Wann hatten die Wetterleute vom Fernsehen jemals etwas von kalten Winden erzählt, und sei es im Juli oder September? Warum war es dieser Tage immer so windig? Lag es einfach an der Tatsache, daß Carrie, ohne jemals willens zu sein, das geschehen zu lassen, mittlerweile eben doch zweiundsechzig Jahre alt geworden war?
    Dann vernahm sie das wütende Bellen ihres Mannes im Haus. „Carrie! Wo bist du? Was macht dieses verdammte Ding hier drinnen?“
    Carrie lief ins Haus zurück. Dort stand ihr Mann, zornrot im Gesicht und mit dem

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