Analog 08
Aussehen eines aufgeplusterten Sperlings, das er immer bekam, wenn ihn etwas erregte, vor einem Fremden. Der Doktor war gekommen, als sie nicht aufgepaßt hatte, und es handelte sich um ein neues Modell.
Betrachtete man den Doktor, sah man einen Mann jugendlicher Reife mit sandfarbenem Haar, der kleine Fältchen in den Augenwinkeln hatte und ansonsten den Ausdruck lächelnder Kompetenz zur Schau stellte, den Ärzte sich so gerne kultivieren. Berührte man ihn, so war sein Händedruck warm und fest. Erst wenn man so weit ging, ihn zu beschnüffeln, konnte man vielleicht den fehlenden Körpergeruch feststellen. Er besaß nicht den für Menschen typischen Geruch nach Körper und Schweiß. Und das bedeutete immer eine frische Dusche, ein todsicheres Deodorant oder einen Roboter.
Und selbstverständlich handelte es sich hier um einen Roboter. „Ich bitte dich, Liebling“, flötete sie humorig, jedoch mit ängstlichem Unterton. „Du weißt doch, das ist nur der Doktor, der gekommen ist, um dir den Blutdruck zu messen und so weiter.“
„Aber es ist nicht mein gewöhnlicher Doktor“, beharrte der Kongreßabgeordnete, der sich so kräftig und hochgewachsen produzierte, wie es ein Mann nur eben konnte, der immerhin um ein Winziges kleiner als Carrie selbst war. „Ich will meinen Doktor. Seit fünfunddreißig Jahren habe ich denselben Arzt, und der soll jetzt kommen.“
Es war nicht gut, wenn er sich so kurz vor der ersten Debatte aufregte. „Aber, aber, Liebes“, spöttelte Carrie gutmütig und versuchte, ihn zu beruhigen. „Du weißt doch selbst, daß dieses alte Wrack nur noch für den Schmelzofen taugte. Ich bin sicher, daß Dr. äh …“ Sie sah den neuen Doktor hilfesuchend an, der auch prompt und selbstsicher lächelnd seinen Namen nannte.
„Ich bin Doktor William“, sagte er. „Ich bin ein vollautonomer, programmierter Josephson-Junction-Modellroboter, Herr Kongreßabgeordneter, mit Kernspeicher für Diagnostik, erste Hilfe und allgemeine innere Medizin, und selbstverständlich enthalte ich Datenchip-Erinnerungen an die meisten chirurgischen Eingriffe und Testfunktionen.“
Die Wangen des Kongreßabgeordneten waren von Dunkelrot zu Blaßrosa zurückgegangen. Im allgemeinen war er kein unumgänglicher Mann. „Wie auch immer“, begann er, doch der Roboter sprach immer noch weiter.
„Es tut mir aufrichtig leid, sollte ich Ihnen Unbehagen verursacht haben, Herr Kongreßabgeordneter. Nicht nur aus beruflichen Gründen“, fügte er dann noch voller Wärme an, „sondern auch, weil ich einer Ihrer begeistertsten Anhänger bin. Ich hatte bisher noch nicht das Privileg, bei einer Wahl die Stimme abgeben zu dürfen, wie ich leider gestehen muß, da ich erst letzte Woche aktiviert worden bin, doch wenn es dazu kommt, werde ich bestimmt für Sie stimmen.“
„Huch“, sagte O’Hare und sah von dem Roboter zu seiner Frau. Dann sprachen die Reflexe von über fünfzig Jahren an. „Ihre Zeit ist kostbar, Dr. William, also, warum bringen wir die Untersuchung nicht schnellstens hinter uns?“ sagte er. „Während Sie das tun, können wir uns über die Probleme dieses Wahlkreises unterhalten. Wie Sie sicher wissen, gehörte ich immer zu den führenden Stimmen bei der Erkämpfung der Rechte für Roboter …“ Hier schlüpfte Carrie dankbar hinaus.
Fiorello O’Hares Geschick beim Stimmenfang war während mehr als zwei Dutzend Wahlen auf die Probe gestellt worden, angefangen von seiner ersten Wahl zum Schulrat und dann in den Landrat – ein Jahrzehnt bevor Carrie alt genug zum Wählen gewesen war –, schließlich zweiundzwanzig Amtszeiten im Kongreß der Vereinigten Staaten. Zweiundzwanzig Amtszeiten: von den ersten Jahren, als ein Kongreßabgeordneter tatsächlich noch mit dem Wagen oder dem Flugzeug nach Washington reisen mußte, um seine Arbeit zu tun, statt der Sitzungen per elektronischem Verbund, die den Job wieder attraktiv gemacht hatten. Und gegen zweiundzwanzig Gegner. Gegner hatte er in allen Formen und Größen gehabt – behäbige alte Fossilien, als O’Hare noch ein idealistischer Jugendlicher gewesen war, Neulinge, während er selbst älter wurde. Männlich oder weiblich, schwarz oder weiß, Friedensapostel und Umweltschützer, freigebige und sparsame – O’Hare hatte sie alle geschlagen. Wenigstens hatte er all jene geschlagen, die im dreiundzwanzigsten Wahlbezirk gegen ihn angetreten waren. Als er den Fehler gemacht hatte, Gouverneur werden zu wollen, hatte er nicht soviel Glück
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