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Analog 08

Analog 08

Titel: Analog 08 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Joachim Alpers , Hans Joachim (Hrsg.) Alpers
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gehabt – glücklicherweise war das in einem Nichtwahljahr gewesen, so daß ihm wenigstens der Platz im Kongreß sicher geblieben war, und auch der Versuch, in den Senat und auf den Stuhl des Vizepräsidenten zu gelangen, war wenig erfolgreich gewesen. Die Vorwahlen hatten einen Traum platzen lassen. Der Nationalkonvent zerschmetterte den anderen. O’Hare hatte seine Lektion gelernt. Blieb er im Kongreß, war er sicher, und das betraf auch seine Komiteevorsitze und seine Beförderungen.
    Nach all den Jahren konnte sich Caroline O’Hare nicht mehr an die Namen aller Gegner erinnern, die schon gegen ihren Mann angetreten waren. Wenn sie sie überhaupt aus dem Reservoir ihrer Erinnerungen emporholen konnte, dann nur noch anhand bestimmter persönlicher Attribute. Der war bedeutend. Jener war haarig. Dieser war groß, gefährlich, ängstlich. Mit einem solchen Attribut bedacht, dachte Carrie, während sie in die Tiefgarage des Shriner’s Auditorium fuhren, war der diesjährige Gegner nett. Er trug einen netten braunen Anzug, eine nette Krawatte und nette braune Schuhe. Er unterhielt sich nett mit einer kleinen, selbstsicheren Gruppe seiner Anhänger, als die O’Hares aus dem Wagen ausstiegen und zum Fahrstuhl gingen, und als er O’Hare kommen sah, bedachte er seinen Kontrahenten mit einem netten, freundlichen Willkommenslächeln.
    Der nette Gegenkandidat bewegte sich auf dem sicheren Polster einer sechsjährigen erfolgreichen Amtszeit als Bürgermeister einer Kleinstadt im Wahlbezirk. Bürgermeister Thom war in seiner Stadt ebenfalls sehr erfolgreich im Einheimsen von Stimmen gewesen, wie Carrie per Datenabruf hatte herausfinden können. Ihr Mann gab wenig auf so etwas: „Ich bin ein Mann des Persönlichen , Carrie, und ich befasse mich persönlich mit dem Wähler. Ich möchte nicht, daß sie Schlagworte oder Computergrafiken kennen, ich möchte, daß sie mich kennen.“ Aber er mußte ein wenig in sich aufgestaut haben, denn als er die Gegenpartei sah, eilte er mit blendendem Lächeln und auf den Lippen parater Rede hinüber. „Eine große Freude, Sie hier zu sehen, Herr Bürgermeister“, rief er aus und schüttelte dem Bürgermeister die Hand. „Ich darf Ihnen nochmals für die großartigen Leistungen Glück wünschen, die Sie in El City vollbracht haben.“
    „Sie sind sehr freundlich“, lächelte Bürgermeister Thom und nickte auch Carrie höflich zu – nettes Nicken, nettes Lächeln.
    „Nur ehrlich.“ Darauf bestand O’Hare, während sich die Fahrstuhltür öffnete. „Nun, Zeit für die Schlacht, schätze ich, und möge der bessere Mann gewinnen!“
    „Ich hoffe nicht“, antwortete der Bürgermeister höflich. „Denn das wären sicherlich Sie, da ich mechanisch bin.“
    O’Hare blinzelte, dann grinste er seine Frau leutselig an. Freundlichkeit gegenüber dem Gegner war eines der Markenzeichen O’Hares. Das kostete nichts, und wer wußte, vielleicht konnte man den anderen damit ein wenig weichmachen? Nicht viele Gegner hatten O’Hare bislang ebenso behandelt. Carrie sah ihn den Arm des Bürgermeisters tätscheln und höflich beiseite treten, als sie das Stockwerk des Auditoriums erreicht hatten. Er ließ dem Gegner den Vortritt. Doch plötzlich war sein Ausdruck bestimmt geworden. Er war wie ein Stromkreisunterbrecher, der unerwartete und gefährliche Energie gespürt hatte. Er hatte sich unachtsam geöffnet, war aber bereits wieder geschlossen und bereit für den nächsten Stromstoß.
     
    Als dieser dann erfolgte, war O’Hare aber alles andere als bereit.
    Die ersten Runden der Debatte verliefen normal. Selbstverständlich handelte es sich nicht um eine wirkliche Debatte. Mehr wie ein Ballett mit zwei Primaballerinen, die beide ihre herausragenden Fähigkeiten unter Beweis stellen wollten. Ein Paar perfekter entre-chats , geführt von einem Strang doppelter fouettes , großartige gran jete , entgegengesetzt zu einem superben pas en aire . O’Hare machte den Anfang. Seine große Stärke waren die schon gewonnenen Schlachten, die berühmten Gestalten, mit denen er schon gearbeitet hatte. Nicht nur Politiker. O’Hare war der Intimus von Botschaftern, Firmenbossen und Wissenschaftlern gewesen – er hatte sogar Amalfi Amadeus persönlich gekannt, den Mann, der der Welt die billige Energiequelle der Wasserstoffusion gegeben und damit das moderne Utopia ermöglicht hatte. Nach seinem ersten, siebenminütigen Auftritt erhielt O’Hare donnernden Beifall. Aber sein Gegenkandidat gleichfalls. Der

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