Analog 08
sich nicht, doch Carrie sah, wie er die Augen zusammenkniff. Das Relais hatte sich wieder geöffnet und neu justiert, klick-klack. O’Hare wußte, daß sein Gegner ein gutes Stück besser als die bisherigen war. Dieser Wahlkampf würde sich nicht so einfach gestalten wie die bisherigen.
Und so kam es dann auch, obwohl es in den ersten paar Wochen den Anschein hatte, als würde das Ergebnis wieder dasselbe sein.
Anfang Oktober war der Kongreßabgeordnete höchst aktiv. Drei Kaffeerunden täglich, wenigstens ein Abendessen pro Abend – er hatte schon vor langer Zeit gelernt, das Essen auf dem Teller so umzugruppieren, daß er damit die Tatsache vertuschen konnte, überhaupt nichts zu essen. Und dann Hunderte von Partys und Fernsehspots und Konferenzen und inmitten der Wähler Spazierengehen. Das Wetter wurde kühler, war aber immer noch schwül, und die täglichen Spaziergänge im Freien begannen Carrie Sorgen zu machen. Die Füße des Kongreßabgeordneten gaben niemals auf, auch nicht sein Handschlag und die Lachmuskeln. Was verwundbar war, das war seine Stimme. Oben, auf den Plattformen an Straßenecken, waren seine ärgsten Feinde der Wind und die feuchte Luft. Und wenn er eine Einkaufsstraße entlangging – dasselbe, plus die Quiches und Pizzas, die Raviolis und Hot Dogs –, eben das ganze Spektrum ethnischer Nahrungsmittel, die ein um Minderheiten buhlender Kandidat nun einmal gernhaben mußte. „Diese Traditionen sind veraltet“, sagte Carrie wütend zu ihm, in der einen Hand ein Halsspray und in der anderen Natronpillen, als der Abgeordnete eines Abends vor dem Zubettgehen spielerisch versuchte, sich zu erholen, „wenn die Hälfte der Wahlberechtigten Roboter sind.“
Ihr Mann saß auf der Bettkante und rieb sich abwechselnd Kehle und Füße. „Ich brauche aber die Stimmen der Organischen. Die Roboter wissen, wo ich stehe.“
Sie wußten aber auch, dachte Carrie, sagte es aber nicht, daß sein Gegner einer von ihnen war … Aber Roboter waren programmiert, fair zu sein! Und als sie, nachdem ihr Mann bereits schlafen gegangen war, die täglichen Polls durchging, kam sie fast zu der Überzeugung, daß sie es auch waren. Zuverlässigster Getreuer, was Hochrechnungen und Umfrageergebnisse anbelangte, war sein Chauffeur, ein altmodischer Roboter, der sich in die zentrale Datenverarbeitungsanlage einstöpseln mußte, um die neuesten Daten über die Gunst der Wähler zu bekommen. Es gehörte zu den Gewohnheiten des Roboters, jeden Abend ein Druckformular mit den neuesten Wahldaten auf Carries Waschtisch zu legen. Achtunddreißig Prozent für ihren Mann, nur neunzehn für Bürgermeister Thom …
Sie verrieten aber auch, daß es immer noch die gewaltige Masse von dreiundvierzig Prozent Unentschlossenen gab, und das Haar in der Suppe war, daß es sich bei diesen dreiundvierzig Prozent hauptsächlich um Roboter handelte. Carrie kannte den Grund hierfür. Das war schon so, seit das Roboter-ERA ihres Mannes verabschiedet worden war und die autonomen intelligenten Modelle wählen durften. Roboter wollten niemandes Gefühle verletzen. Waren Roboter gezwungen, eine Entscheidung zu fällen, die jemandem weh tun konnte, so schoben sie dieses so lange es ging hinaus. Denn Roboter waren auch darauf programmiert, höflich zu sein.
Und wenn die ganzen dreiundvierzig Prozent sich für Bürgermeister Thom entschieden …
Carrie konnte dieser Möglichkeit einfach nicht ins Auge sehen. Ihr Mann war glücklich über seinen Job. Der Kongreß der Vereinigten Staaten war eine ehrbare Institution, und darüber hinaus war es ein leichter Job, was bei einem über Siebzigjährigen, der schon beängstigend im Schlaf hustete, ein entscheidender Gesichtspunkt war. In den alten Zeiten war es ein mörderischer Job gewesen – immer zuviel zu tun, Sorgen wegen ausländischer Mächte, Steuererhöhungen, der Versuch, den Bürger gerecht am Wohlstand der Nation teilhaben zu lassen – wenn es überhaupt Wohlstand gab –, oder wenigstens, jedem einen hinreichend großen Teil vom zur Verfügung stehenden Reichtum abzugeben, damit keiner revoltierend auf die Straße gehen mußte. Doch seit Amadeus’ Geschenk der unbegrenzten Energie, die jedem grenzenlosen Reichtum sicherte, konnte jeder Kongreßabgeordnete seine Arbeit zum Vergnügen machen, und wenn er beschloß, einmal eine Weile nichts zu tun – den Sommer über eine Fotosafari an den Nil zu unternehmen, zum Beispiel –, wem schadete das?
In dieser Nacht schlief sie
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