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Analog 08

Analog 08

Titel: Analog 08 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Joachim Alpers , Hans Joachim (Hrsg.) Alpers
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alten Zeiten, fast eine Zirkusparade. Sechs Wagen! Und nicht nur gewöhnliche Wagen, grellorangefarben bemalte Fahrzeuge, die wahrscheinlich ausschließlich für den Werbefeldzug entworfen worden waren. Zuerst kam ein Kabrio mit sechs weiblichen Robotern … nein, es waren echte Menschen. Carrie war ganz sicher. Sie warfen den Menschen rechts und links rosa und weiße Nelken zu. Zu dieser frühen Stunde waren freilich noch nicht viele Menschen unterwegs, doch die Parade des Bürgermeisters zog die Aufmerksamkeit aller auf sich. Als nächstes folgte ein zweites Kabrio, in dem die nette Gestalt des Bürgermeisters saß und nach allen Seiten lächelte und nickte. Danach ein PA-Wagen mit einem attraktiven Sänger und einer wunderschönen Sängerin, die abwechselnd alle traditionellen Wahlkampfsongs anstimmten, Happy Days Are Here Again und Schillers Ode an die Freude und God Bless America im Beatrhythmus. Zum Abschluß nochmals zwei Autos mit Blumenmädchen, zwischen denen sich ein Wagen befand, der nur aus einem großen elektronischen Display bestand, auf dem die sich dauernd verändernden Hochrechnungen und Wahlanalysen zu sehen waren – die selbstverständlich alle dem Bürgermeister die größten Chancen einräumten. Wie billig! Und wie wirksam, gestand sich Carrie verdrossen ein … „Sind Sie die Dame, die ein Taxi bestellt hat?“ rief eine Stimme hinter ihr. Sie drehte sich um und sah ein Taxi auf sich zukommen. Selbstverständlich hatte es der zuverlässige Martin bestellt. Sie wollte seufzend einsteigen, überlegte es sich dann aber doch anders und schüttelte den Kopf.
    „Nein, noch nicht. Ich werde noch eine Weile hierbleiben.“
    „Wie Sie wollen, meine Dame“, meinte der Fahrer und fuhr hinter der Prozession des Bürgermeisters her. Er war nur ein Zentral-Intelligenz-Mechanischer, doch Carrie war sicher, daß sie Bewunderung in seinem Blick sah.
    Der Bürgermeister hatte sie bemerkt. Sie ließ sich gleichfalls dazu herab, ihn so unauffällig wie möglich zu bemerken. Er wiederholte ihres Mannes Tour durch die Fabrik – fair genug –, doch dann wurde ihr klar, daß es ganz und gar nicht fair war, denn der Bürgermeister hatte einen eingebauten Vorteil. Er war selbst ein Roboter. Ihr Mann hatte jedem Arbeiter etwa eine Minute Zeit zur Unterhaltung gewidmet. Der Bürgermeister gewährte ebenfalls eine Minute, doch er und die Arbeiter hatten ihre Kommunikationssysteme auf Schnelldurchlauf gestellt. Der Klang ihrer Stimmen war wie die Ultraschallrufe von Fledermäusen. Die Armbewegungen beim obligatorischen Händeschütteln waren so schnell, daß Carrie ihnen nicht mit den Augen folgen konnte.
    Da sagte eine Stimme hinter ihr: „Ich weiß, wer Sie sind, Mrs. O’Hare, aber hätten Sie trotzdem gerne eine Nelke?“
    Es war eines der Blumenmädchen – keines der menschlichen aus dem ersten Wagen, denn die menschlichen Mädchen hatten sicher keine Flüssigkristallschriftzüge auf der Stirn, wo geschrieben stand: „Stimmt für Thom.“
    Ihr Gesicht verriet keine Boshaftigkeit, und es schien auch keine versteckte Kamera darauf zu warten, daß die Frau des Kongreßabgeordneten eine Nelke von der Gegenseite nahm. Es schien nichts weiter als eine freundliche Geste zu sein, und Carrie O’Hare reagierte gleichermaßen freundlich. „Danke. Sie veranstalten wirklich eine nette Show“, sagte sie, ihr Herz neidisch, doch ihr Ton, so hoffte sie, nur bewundernd. „Könnten Sie mir etwas erzählen?“
    „Selbstverständlich, Mrs. O’Hare.“
    Carrie zögerte. Es entsprach ihrem Instinkt, zu jedermann freundlich zu sein, auch zu Robotern, das war gewissermaßen ihre eigene Programmierung. Wie sollte sie ausdrücken, was sie wissen wollte? „Mir ist aufgefallen“, sagte sie behutsam, „daß sich Bürgermeister Thom auch für die altmodischen Mechanischen Zeit nimmt, die keine Stimme haben. Könnten Sie mir den Grund dafür mitteilen?“
    „Gewiß, Mrs. O’Hare“, antwortete das Blumenmädchen sofort. „Dafür gibt es drei Gründe. Zunächst einmal macht es einen guten Eindruck, daher sind die autonomen intelligenten Maschinen schon von ihm eingenommen, wenn er zu ihnen kommt. Zweitens will der Bürgermeister einen Gesetzentwurf einbringen, der ihnen auch ein teilweises Wahlrecht einräumt. Haben Sie das gewußt?“
    „Ich fürchte, nein“, gab Carrie zu. „Aber sicher kann man sie doch nicht ebenso behandeln wie Menschen oder Josephson-Junction-Maschinen?“
    „Aber nein, keineswegs“, stimmte sie

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