Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Analog 1

Analog 1

Titel: Analog 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
Vom Netzwerk:
– lag dieser konturlose, unbegehbare Hang aus kristallenem Pulver. Der große Steigungswinkel ließ den Abhang doppelt schwer bezwingbar erscheinen. Die Frage, die nur durch den Versuch beantwortet werden konnte, war, wie tief diese Schicht einen Untergrund bedeckt hielt, auf dem Menschen gehen konnten. Und weiter: Würde dieser Untergrund bis zum oberen Rand verlaufen?
    Am Fuß der Wand angelangt, gab Scobie ein Signal zum Anhalten. „Wir dürfen jetzt nichts überstürzen, Jean“, sagte er. „Ich gehe voraus und fange an zu graben.“
    „Warum gehen wir nicht zusammen? Ich habe, wie du weißt, auch eine Schaufel.“
    „Weil ich nicht voraussagen kann, wie sich eine so große Bank von – dem Anschein nach – Flugsand verhält. Vielleicht löst ein kleiner Schritt bereits einen gigantischen Abrutsch aus.“
    Sie schien beleidigt zu sein, und in ihrem Gesicht zeigte sich Protest. „Warum gehe ich dann nicht voraus? Glaubst du, ich warte immer nur untätig darauf, daß mich Kendrick endlich rettet?“
    „Ich will es dir sagen“, entgegnete er schroff. „Ich gehe vor, weil meine Rippen verteufelt weh tun und mir die letzte Kraft rauben, die ich noch habe. Wenn wir in Schwierigkeiten kommen, wirst du eher Hilfe leisten können als ich!“
    Broberg warf ihren Kopf zurück. „Oh, es tut mir leid. Ich befinde mich offensichtlich in einem recht schlechten Zustand. Ich lasse falschen Stolz aufkommen, wo du doch nur das Beste willst.“ Sie ließ ihren Blick zum Saturn hinüberschweifen, um den die Chronos mit ihrem Mann und ihren Kindern kreiste.
    „Dir ist schon verziehen.“ Scobie straffte seine Beine und sprang fünf Meter hinauf auf den unteren Vorsprung. Der nächste Vorsprung über ihm schien für einen Sprung etwas zu weit entfernt zu sein, zumal er keinen Anlauf nehmen konnte.
    Er beugte sich nach vorn, setzte sein Grabungswerkzeug am Fuß des vor ihm glitzernden Gehänges an und begann zu schaufeln. Körner rollten milliardenfach von oben nach und bedeckten das, was er gerade freigelegt hatte. Er arbeitete besessen wie ein Roboter. Eine Schaufelfüllung wog fast gar nichts, aber ihre Anzahl war nahezu endlos. Es geschah nicht, was er halb befürchtet und halb erhofft hatte, nämlich, daß der gesamte Hang auf ihn herabstürzen würde. (Hätte es ihn nicht getötet, wäre ihm eine Menge Arbeit erspart geblieben.) Ein trockener Strom stürzte rechts und links an seinen Knöcheln vorbei. Immerhin zeigte sich nun etwas mehr von dem darunterliegenden Fels.
    Unten stand Broberg und hörte auf seinen Atem. Er klang rauh und wurde oft durch ein Keuchen oder Fluchen unterbrochen. In seinem Raumanzug, von einem harten, unwirklichen Sonnenlicht beschienen, glich er einem Ritter, der trotz seiner Wunden gegen ein Monster kämpfte.
    „Also“, rief er schließlich. „Ich glaube, ich weiß jetzt, was wir zu erwarten haben und wie wir vorgehen müssen. Dabei wirst du mir helfen müssen.“
    „Ja … oh, ja, mein Kendrick.“
     
    Die Stunden vergingen. Ganz langsam stieg die Sonne, drehten sich die Sterne und senkte sich der Saturn dem Horizont zu.
    Zumeist arbeiteten die beiden nebeneinander. Sie brauchten für sich zwar nur eine sehr schmale Spur, mußten aber, um ein Abrutschen des Hanges zu vermeiden, einen breiteren Pfad schaufeln. Einige Male gab der Untergrund für beide nicht genügend Halt, so daß nur einer weiterarbeiten konnte. Dann war es meist Scobie, der diesen Umstand für sich nutzte. Manchmal machten beide eine kurze Pause, um etwas zu essen oder zu trinken oder einfach auszuruhen.
    Der Fels wich nun dem Wassereis. An den Stellen, wo seine Oberfläche scharfkantig aufragte, rutschte das Sandeis darüber, das sie abtragen wollten, wie Schneebretter großflächig ab. Nach dem ersten Vorfall, bei dem sie beinahe mit hinuntergerissen worden wären, klopfte Scobie nun stets jede neue Schicht mit seinem Geologenhammer ab. Auf jedem kritischen Abschnitt griff Scobie nach dem Hammer, während sich Broberg, einen Arm um seine Taille geschlungen, festhielt. Mit der anderen Hand stützten sie sich auf ihr Grabungswerkzeug, das sie in den Boden rammten. Jeden Muskel angespannt, verharrten sie in dieser Stellung so lange, bis die knietiefe, manchmal brusttiefe, flüssig wirkende Substanz abgerutscht war. Danach lag ein nacktes Stück Eiswand vor ihnen. Meist war sie zu steil, um ohne Hilfe an ihr hinaufklettern zu können, und so schlugen sie Fußtritte hinein.
    Die Müdigkeit war eine andere Gefahr, gegen

Weitere Kostenlose Bücher