Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Analog 1

Analog 1

Titel: Analog 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
Vom Netzwerk:
erfahrungsgemäß am leichtesten übersetzt wurden. „Ich würde mich gerne mit Ihnen unterhalten, wenn es Ihre Zeit erlaubt.“
    Der Fremde blieb bewegungslos stehen, bis die Computerübersetzung zu Ende war. Dann begann sein Obermund sich zu bewegen. „Meine Zeit erlaubt es“, flüsterte es in Kentons Kopfhörer. „Sprechen Sie, Beobachter.“
    „Der Adjutant Ihres Botschafters hat seit nunmehr drei Tagen sein Zimmer nicht mehr verlassen. Wir sind um seine Gesundheit besorgt.“
    „Solche Fragen gehen Sie nichts an. Mein medizinischer Assistent und ich werden uns jeder anfallenden Krankheit annehmen.“
    „Aber ist es nicht möglich, daß die Krankheit eines Thrulmodiers auch auf einen Menschen übertragen werden könnte?“ fragte Kenton behutsam. „In einem solchen Fall müßte unsere Ärztin …“ – er deutete zu Anne – „… alles Notwendige über die Krankheit wissen, vor allem, wie man sie richtig behandelt.“
    Wieder stand der Thrulmodier mehrere Sekunden lang bewegungslos, dann wand er seine Schwanzspitze. „Nun gut. Ich vermute, Sie sind über den Zustand des Adjutanten informiert?“
    „Unser Wissen ist gering.“ Kentons Enthüllung schien Anne zu schockieren, aber da der Arzt sowieso schon etwas von den Überwachungseinrichtungen ahnte, sah Kenton keine Veranlassung mehr, seine Vermutung nicht zu bestätigen. Politisch gewitzt, wie die Thrulmodier durchaus waren, war ihnen das Konzept des ‚offenen Geheimnisses’ sicher nicht unbekannt oder unverständlich.
    „Diesen Zustand macht jeder von uns in bestimmten Zeitintervallen durch, und wir nennen es Wiedergeburt“, erläuterte der Doktor. „Es ist eine Zeit der Reinigung von Geist und Körper. Wiedergeburt ist keine Krankheit, sondern eine Ausmerzung von Krankheiten. Sie stellt keine Gefahr für die Menschen dar. Mehr müssen Sie nicht wissen.“
    „Wie oft findet eine solche Wiedergeburt statt?“ fragte Anne.
    „Damit ist das Gespräch beendet.“ Er klopfte einmal mit dem Schwanz auf den Boden und entfernte sich dann.
    Anne starrte ihm nach. Offensichtlich dachte sie zu angestrengt nach, um sich über das brüske Verhalten des Fremden ärgern zu können. Kenton ergriff ihren Arm und führte sie zum medizinischen Flügel.
    „Glauben Sie, er sagt die Wahrheit?“ fragte sie unterwegs.
    Kenton erinnerte sich gerade noch daran, das Kehlkopfmikrofon abzustellen, bevor er antwortete. „Soweit ich weiß, hat bisher noch niemand einen Thrulmodier bei einer Lüge ertappen können. Außerdem paßt die Erklärung des Doktors zu den beobachteten Fakten.“
    „Eine faszinierende Vorstellung“, sagte Anne. „Wie das Häuten einer Schlange, allerdings auf einer wesentlich komplexeren Ebene.“ Aber Kentons ausweichende Antwort auf ihre Frage tat plötzlich ihre Wirkung. „Glauben Sie ihm denn nicht?“
    Kenton zuckte die Achseln. „Für den Augenblick halte ich ihn für ehrlich. Aber ich lasse alle Türen offen.“
    Sie schnob. „Zyniker.“
    „Das ist Teil des Jobs – für uns beide.“
    Sie schnob nochmals, danach legten sie den restlichen Weg schweigend zurück.
    In der Morgendämmerung des folgenden Tages, nach nahezu zehn Stunden ununterbrochenen Essens, war der Adjutant wieder an der Seite des Botschafters. Er schien völlig gesund zu sein.
     
    Die Verhandlungen mit den Thrulmodiern kamen im Schneckentempo voran und schienen bereits Ewigkeiten anzudauern. Trotz der zunehmenden Datenberge in den Übersetzungscomputern brach die Kommunikation hin und wieder zusammen, üblicherweise zu den ungünstigsten Zeitpunkten. Überdies erwiesen sich die Außerirdischen als ebenso geduldig wie in ihren Forderungen unnachgiebig, und es wurde immer deutlicher, daß sie gegebenenfalls auch Jahre in diese Aufgabe investieren würden.
    Auch das Leben im medizinischen Flügel war zu zwar komfortabler, aber auch langweiliger Routine geworden. Die Daten der ersten Untersuchungen waren längst auf alles Wissenswerte hin ausgequetscht worden, einmal durch die Computer und dann noch einmal durch Annes Spezialisten. Bisher war der befürchtete Strahlenpegel nirgendwo meßbar geworden, aber trotzdem wurden die fünfhundert Dosimeter im ganzen Komplex sorgfältig überwacht. Davon abgesehen gab es wenig zu tun.
    Dann, in der dreizehnten Woche, wurde die Routine unterbrochen. Der thrulmodische Botschafter erschien plötzlich nicht mehr zu den Verhandlungen und schloß sich in seinem Zimmer ein. Eine Woche lang wartete der medizinische Stab auf eine

Weitere Kostenlose Bücher