Anansi Boys
feststellte, überhaupt nichts nützte. Selbst m it geschlossenen Augen war alles viel, viel zu he l l.
Er rieb sich die Augen. Er blickte sich um.
Eine steile Felswand tür m te sich hint e r ihm auf: ein Berghang. Vor ihm Klippen, die ebenso steil nach unten fielen. Er trat zum Klippenrand und spähte vors i chtig hinunter. Er sah etwas Weißes und dachte zunächst, es seien Schafe, bis ihm klar wurde, dass es sich um Wolken handelte, große, weiße, flauschige Wolken, ganz weit unter ih m . Und unterhalb der Wolken war nichts; er konnte den blauen Himmel sehen, und es schien, dass er, wenn er lange genug hinsah, die Schwärze des Weltenra u ms se h e n konnte, und dahinter nichts als das kalte Funkeln der Sterne.
Er machte einen Schritt vom Klippenrand weg.
Dann drehte er sich um und g i ng auf den Berg zu, der sich so hoch erhob, dass er d i e Spitze nicht sehen konnte, so hoch, dass er unversehens überzeugt war, er würde auf ihn fallen, die ganze Felswand würde einstürzen und ihn unter sich begraben. Er zwang sich, den Blick zu senken, auf den Boden zu blicken, und dabei bemerkte er, in Bodennähe, Löcher in der Fel s wand, die den Eindruck von Höhleneingängen m a chten.
Die Fläche zwischen dem Berghang und den Kl i ppen, auf der er stand, war nach seiner Schätzung knappe vierhundert Meter breit: ein von F e lsbrocken übersäter Pfad, hier und da von ein paar Büschen und vereinzelten staubbraunen Bäu m e n bestanden. Der Pfad schien dem Berghang zu folgen, bis er sich, weit entfernt, im Nebeldunst verlor.
Ich werde beobachtet, dachte Fat C h arlie. »Hallo?«, rief er, m it wieder erhobenem Kop f . »Hallo, ist da jemand?« Der Mann, der aus der näc h stgelegenen H öhlenöffnung trat, hatte eine viel dunklere Haut als Fat Charlie, dunkler sogar als Spider, aber sein l a nges Haar war bräunlich gelb und es umrah m te sein Gesicht wie eine Mähne. Er trug ein zerschlissenes gelbes Löwenfell um die Hüften, aus dem hinten ein Löwenschwanz heraushing, und dieser Schwanz wischte ihm in diesem Mo me nt eine Fliege von der Schulter.
Der Mann blinzelte m it goldenen Augen.
»Wer bist du?«, frag t e er donnergro l lend. »Und m it welcher Befugnis betrit t st du diesen Boden?«
»Ich bin Fat Charlie Nancy«, sagte Fat Charlie. »Die Spinne Anansi war mein Vater.«
Der mächtige Kopf nickte. »Und warum kom m st du her, Kind des C o mpé Anansi?«
Sie ware n , soweit Fat Charl i e wusste, allein auf dem Felsen, dennoch k a m es ihm vor, als würden vie l e Leute lauschen, viele Ohren gespitzt, viele Stimmen nichts sagen. Fat Charlie sprach laut, sodass jeder, der wollte, m ithören konnte. »Mein Bruder. Er zers t ört me in Leben. Ich habe nicht die Macht, ihn zu vertre i b en.«
»Also suchst du bei uns nach Hilfe?«, f r agte der Löwe.
»Ja.«
»Und dieser Bruder. Er ist, g e nau wie du, von Anansis Blut?«
»Er ist überhaupt n i cht wie ich«, sagte Fat Charlie. »Er ist einer von euch.«
Eine fließende go l dene Bewegung; der Löwen m ann kam vom Höhleneingang her über d i e grauen Felssteine gesprungen, unangestrengt, träge fast, obwohl er die Entfernung in wenigen Augenblick e n überbrückte. Schon stand er neben Fat Charlie. Sein Schwanz schlug ungeduldig.
Di e Arm e verschrän k t , sa h e r z u Fa t Charli e hinunte r und sagt e : »Waru m reg e l s t d u dies e Ang e leg e nhei t nich t s e lbst ? «
Fat Charlies Mund war ausgetr o cknet. Seine Kehle fühlte sich ex t r em staubig an. Das Wesen vor ih m , größer als jeder Me n sch, roch nicht nach Mensch. Die Spitzen seiner Beißzähne ruhten auf der Unterlippe.
»Kann nicht«, quiek t e Fat Charlie.
Aus dem Eingang der nächsten Höhle beugte sich ein gewaltig großer Ma nn. Seine faltige, runzlige Haut war bräunlich grau, und er hat t e runde, sehr runde Beine.
»Wenn du Streit hast m it d e inem Bruder«, sagte er, »dann m u sst du deinen Vater bitten, d a ss er ein Urteil spricht. Unterwerft euch dem Willen des Fa m ilie n oberhaupts. So bestimmt es das Gesetz.« Dann warf er den Kopf zurück und machte ein lautes Geräusch, hinten aus der Nase und dem Hals heraus, wie ein mächti g er Tro m petenstoß, und Fat Charlie wusste, dass es Elefant war, dem er gegenüberstand.
Fat Charlie schluckte. »Mein Vater ist tot«, sagte er, und jetzt war seine Stimme wieder klar, lauter und deutlicher, als er erwartet hatte. Sie hallte von der Bergwand wider, wurde aus hundert H öhleneingängen, von h u ndert
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